Dr. Nina Scheer (SPD):
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einer kurzen Rückschau auf die letzten Jahre einsteigen. Herr Brinkhaus, Sie hatten ja gefordert, dass man irgendwie einen neuen Blick bräuchte, und dabei ein für mich doch sehr erschreckendes Selbstbild gezeichnet, wie wir uns über den Tag Ihrer Meinung nach zu Nachhaltigkeitsthemen verhalten oder auch nicht verhalten.
Ich möchte an Folgendes erinnern: Sie haben das, was unsere Abhängigkeit von Russland betrifft, mit einen Spaziergang verglichen und gesagt, das eigentliche Problem sei unsere Abhängigkeit von China. Erinnert sei an die Legislaturperiode 2009 bis 2013. Da begann eine massive Marktverdrängung vonseiten Chinas, weltweit angelegt – umgerechnet 300 Milliarden Euro wurden damals taxiert -, die zum Ziel hatte, nicht wie in Deutschland und Europa die Markteinführung von erneuerbaren Energien zu fördern, sondern die Marktverdrängung aller Akteure zugunsten Chinas zu vollziehen. Diese massiv angelegte Marktverdrängung hat heute tatsächlich dazu geführt, dass wir auch in Deutschland alleine bei der Photovoltaik zu über 90 Prozent von China abhängig sind.
Das war tatsächlich etwas, was auch von der deutschen Bundesregierung – damals unter Angela Merkel – hätte verhindert werden müssen,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Rainer Kraft (AfD): Es wurde sogar finanziert!)
mit aktiver Außenhandelspolitik in Europa und für Deutschland. Das wurde unterlassen, und das ist der Kardinalfehler, an dem wir heute massiv knapsen, weil wir natürlich aufgrund der Erkenntnis – und sie ist nicht neu -, dass Energieversorgung als Daseinsvorsorge eine elementare Frage für unser Wirtschaftssystem, für die Gesellschaft, für Sicherheit, für Gerechtigkeit, für den sozialen Zusammenhalt ist, daran arbeiten müssen, Wertschöpfung nach Europa zurückzuholen, Wertschöpfung in Deutschland aufzubauen, aber natürlich auch dafür sorgen müssen, dass es international gelingt, im gemeinsamen Werk gleichzuziehen – deswegen haben wir ja die SDGs, deswegen haben wir ja auch unter SDG Nummer sieben die sichere, saubere Energie – und dies natürlich gemeinsam zu denken, global zu denken, aber dabei immer auch lokal zu handeln.
Wir dürfen uns nicht hinter den gemeinsamen Zielen verstecken; die brauchen wir als Orientierung. Wir brauchen auch immer die Orientierungsfragen, um zu schauen: Wo sind wir schon angelangt? Wie erfolgreich war die auf das Ziel gerichtete Politik? Aber wir dürfen uns nicht dahinter verstecken, zu sagen, damit ist es getan. Natürlich muss lokal gehandelt werden.
(Martin Reichardt (AfD): Sie meinen mit „lokal“ eigentlich „national“, oder nicht?)
Deswegen sei noch mal kurz auf das zurückgegriffen, was wir gestern im Ausschuss beschlossen haben und morgen im Bundestag beschließen werden, nämlich zum Beispiel einen Erneuerbare-Energien-Booster anzusetzen, weil die Energiewende längst eine Frage der Energiesicherheit geworden ist und weil die Sicherheit ohne den beschleunigten Umstieg auf erneuerbare Energien nicht gewährleistet werden kann.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Insofern möchte ich den Blick auf ein paar Punkte werfen. Wenn es immer wieder heißt, die erneuerbaren Energien seien der Kostentreiber, so ist das einfach falsch. Das wird immer wieder behauptet.
Bei Photovoltaik haben wir innerhalb der letzten 15 Jahre Kostensenkungen von 85 Prozent gehabt.
(Zuruf von der AfD: Da wurden Kosten versteckt!)
Wir haben bei der Windenergie innerhalb des gleichen Zeitraums Kostensenkungen von 55 Prozent gehabt.
(Martin Reichardt (AfD): Warum merkt das keiner?)
Bei der Atomenergie sind die Preise übrigens im gleichen Zeitraum um ungefähr 30 Prozent gestiegen. Das wird immer wieder verleugnet. Das muss man immer mal wieder sagen,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
weil nur darüber Bezahlbarkeit von Energie künftig auch wirklich garantiert werden kann. Die Bezahlbarkeit von Energie – da haben wir eine Garantenpflicht – hängt daran, dass wir den beschleunigten Umstieg auf erneuerbare Energien hinbekommen.
(Jörn König (AfD): Sie steigen seit 20 Jahren auf erneuerbare Energien um! Wann sind wir endlich fertig damit?)
Mit dem Energie-Booster haben wir einen weiteren Baustein gesetzt, den wir hoffentlich morgen dann auch mit breiter Mehrheit beschließen werden. In diesem Sinne sind wir auf einem guten Weg.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestags