Rede: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes 1975 und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften

Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. April 2022 

Zusatzpunkt 6: Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes 1975 und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften, Drucksache 20/1501

Dr. Nina Scheer (SPD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Jung, die Schaffung eines Gesamtkonzeptes ist natürlich ein hehres Ziel. Wir müssen aber auch anerkennen, dass wir in einer Situation stecken, in der akutes Handeln auf sich jeweils immer wieder neu herausbildende Herausforderungen angesagt ist. Gesamtkonzepte haben nun einmal die Eigenschaft, dass sie etwas längere Planungszeiten voraussetzen, und die hat man in solchen Momenten nicht. Insofern sind wir darauf angewiesen, die Handlungsfähigkeit durch akute Nachjustierungen sicherzustellen. Darüber hinaus haben wir natürlich auch Zielvorgaben; diese bestehen – etwa mit dem Osterpaket und dem Sommerpaket – aus dem Umstieg auf erneuerbare Energien. Daran wird parallel unter Hochdruck gearbeitet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Der Staat hat eine Garantenstellung als Ausdruck von Daseinsvorsorge bei unverzichtbaren Versorgungsleistungen. Dies ist in unserem Grundgesetz und den gesetzlichen Regelwerken auch außerhalb von Krisenzeiten verankert, um in einer freiheitlichen Gesellschaft dem Anspruch von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in einer sozialökologischen Marktwirtschaft gerecht zu werden. Richtigerweise gibt es keine abschließende Nennung darüber, was zur Leistung der Daseinsvorsorge zählt. Es ist aber dem Wesen von Daseinsvorsorge immanent, dass Energieversorgung immer dazu zählt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Erst recht in Krisensituationen ist Vorsorge zu treffen. Hierfür gilt es, die Instrumente der Krisenbewältigung zu stärken. Im Krisenfall zählt dazu auch die schnelle Handlungsfähigkeit des Staates. Dem diente bereits die Verabschiedung des Gasspeichergesetzes mit zeitlichen Füllstandsvorgaben, das wir vor wenigen Wochen hier verabschiedet haben. Nun ist die Änderung des Energiesicherungsgesetzes aus dem Jahre 1975 einzubringen; Herr Staatssekretär Oliver Krischer hatte schon erwähnt, aus welchen Zeiten dies ist.

Jenseits der gesetzlichen Rahmenbedingungen sind wir, politisch betrachtet, alle berufen, bei unserem Bestreben nach Unabhängigkeit von Rohstoffimporten aus Russland die Grenzen der Leistungsfähigkeit zu beachten. Auch dies zählt zur Energiesicherung. Gerade in Bezug auf die Lieferketten und regionalen Unterschiede ist dies mitunter eine existenzielle Herausforderung. Das sehen wir gerade in diesen Zeiten.

Einerseits müssen wir – allein schon, um uns nicht erpressbar zu machen und um vermeidbare Geldflüsse nach Russland einzustellen – so schnell es geht unabhängig von Importen aus Russland werden. Andererseits darf uns aber eben diese Zielvorgabe ihrerseits nicht überfordern. Insofern ist nach meiner Überzeugung in der Frage nach weiteren Embargos aktuell äußerste Zurückhaltung geboten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die nachhaltigste Unabhängigkeit von Energieimporten – ich habe es eingangs erwähnt -, auch zur Einstellung von Geldflüssen nach Russland, ist über den schnellstmöglichen Ausbau erneuerbarer Energien zu erreichen. Dafür müssen wir unsere Handlungsfähigkeit aber auch erhalten.

Der heute einzubringende Gesetzentwurf enthält Maßgaben der Präzisierung bestehender und die Aufnahme weiterer Verordnungsermächtigungen, enthält Regelungen zur Einführung einer digitalen Plattform und Anpassung der Gassicherungsverordnung, um die Lastverteilung effektiv vollziehen zu können, die auch bei Solidaritätsmaßnahmen nach der europäischen SoS-Verordnung erforderlich werden kann. Dies dient einem schnellen und praktikablen Vollzug von Solidaritätsersuchen, die an Deutschland gerichtet werden können. Mitgliedstaaten können auf die Unterstützung Deutschlands und auch untereinander zählen, wenn es zu Engpässen kommt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen wir auch an die Treuhandverwaltung denken – auch das ist enthalten – und – es ist schon erwähnt worden – als Ultima Ratio die Enteignung vorsehen. Ja, das gehört leider auch mit dazu. Es muss auch über die Möglichkeit von Preisanpassungen bei verminderten Gasimporten nachgedacht werden können; auch das ist enthalten.

Mit diesen weiteren Maßnahmen für einen soliden Rechtsrahmen –

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Nina Scheer (SPD):

– ich komme zum Schluss – zur Versorgungssicherheit gehen wir mit der heutigen Einbringung nun in die parlamentarischen Beratungen zur Novelle des Energiesicherungsgesetzes und weiterer Vorschriften.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestags.