Rede: Klima- und Entwicklungspolitik

Deutscher Bundestag, 224. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. April 2021

TO 15: Klima- und Entwicklungspolitik, Zusatzpunkt 2: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Das Potential des regenerativen Baustoffs Holz in der Entwicklungszusammenarbeit für die Herausforderungen des Klimawandels nutzen Drucksache 19/28791 

Dr. Nina Scheer (SPD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück zur Sache: Es geht hier um viele Anträge, die heute gleichzeitig auf der Tagesordnung stehen. Ich möchte mich aber aus aktuellem Anlass auf die hier im Fokus stehenden internationalen Politikfelder konzentrieren, die gerade auch weltweit diskutiert werden. Ich möchte, so schwer es mir nach dieser Rede fällt, lieber Jürgen, auf einen Punkt eingehen, den du genannt hattest, und zwar die Frage, wie ambitioniert das nun vereinbarte Ziel von mindestens 55 Prozent ist.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 52 Prozent!)

– Nein, eben gerade nicht 52 Prozent. Damit muss aufgeräumt werden. Für die Senken, die da eingerechnet sind, gilt quasi ein Stichtag. Man analysiert, wie viel Bindung an CO2 in den Wäldern stattfindet.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Taschenspielertrick!)

– Lassen Sie mich doch mal ausführen. – Wie viel Senke ist da mit drin?

Wir wissen, dass in den nächsten Jahren durch den Klimawandel ziemlich viel kaputtgehen wird von dieser CO2-Bindung. Das muss man natürlich kompensieren. Zusätzlich muss man die derzeitige und die in den nächsten Jahren stattfindende Bindung in den Wäldern dazurechnen. Das wird jetzt wahrscheinlich nicht auf Gefallen stoßen, aber de facto sind es 57 Prozent, und zwar genau mit der Rechnung, die hier auch von Ihnen angestellt wird; es sind de facto 57 Prozent – mindestens. Wir sind vom Ziel 60 Prozent also nicht mehr ganz so weit entfernt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Natürlich wären 60 Prozent toll gewesen. Aber mindestens 57 Prozent erreicht zu haben, ist ein richtiger und wichtiger Schritt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass Sie sich dafür nicht zu schade sind!)

– Ja, so ist nun mal zu interpretieren. Wer das leugnet und die erreichte Zahl mit 52 Prozent beziffert, der macht die EU schlechter, als sie ist, und das ist einfach nicht richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Als nächsten Punkt möchte ich ansprechen, dass wir nicht immer nur auf die Ziele schauen sollten. Wir haben jetzt einen weiteren Meilenstein gesetzt. Jetzt muss man aber schleunigst auf die Ebene zurückkommen, dass auch tatsächlich umgesetzt wird. Wir erleben es aber leider landauf, landab, dass wir immer mit der Umsetzung hinterherhängen. Wir dürfen uns nicht länger was vormachen. Auch solche Fantastereien wie ein neuer Emissionshandel – noch mal hier was und noch mal da was – bringen nichts, wenn wir nicht zu einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das muss endlich geschehen, das muss nach oben gesetzt werden. Mehr Ausbau ist dringend erforderlich.

Ehrlicherweise muss natürlich dazugesagt werden, dass bei all diesen Dingen, die jetzt im Zusammenhang mit der internationalen Energiewende bzw. Klimaschutzpartnerschaft in Rede stehen, auch die Atomenergie drin ist.

(Timon Gremmels [SPD]: Ja!)

Das muss uns bewusst sein. Das heißt, dass wir verstärkt auf die Investitionspolitik achten müssen. Investitionspolitik darf eben nicht heißen, dass in Atomenergie investiert wird, sondern es muss in erneuerbare Energien investiert werden, weil es eine Sackgasse ist, in Atomenergie zu investieren.

(Beifall bei der SPD)

Das muss ganz deutlich auch mit deutscher Stimme in Europa klargezogen werden; sonst rennen wir sehenden Auges in Probleme mit dieser Technologie. Denn zum Beispiel bei zunehmenden Dürren müssen die Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Was ist denn dann mit der Atomenergie? Wir werden ein Sicherheitsproblem kriegen, noch obendrauf, zusätzlich zu den bereits bestehenden Risiken der Atomenergie.

(Beifall bei der SPD)

Es ist auch eine Mär, dass mit kleinen Atomkraftwerken eine neue Generation geschaffen würde; das ist einfach gelogen. Die sind zusätzlich zu den Risiken auch noch unwirtschaftlich. Überall, wo sie zum Einsatz kommen sollen, sieht man an der Konzeption, dass da zusammengefasste Projekte entstehen, dass das also doch wieder große Kraftwerke sind. Sie sind ein Sicherheitsrisiko. Sie sind keine Option. Sie führen uns nicht zu Klimaschutz. 

Es hat sich immer bewährt, in die Dezentralität zu vertrauen und zu investieren. Genau da muss angesetzt werden. Jeder muss dort ansetzen. Für die Internationalität, um einen letzten Punkt zu setzen, bedeutet das – das ist eine Bitte an die Grünen –, dass es uns nicht nur um die Partnerschaft zwischen den USA und Europa gehen darf, sondern es muss natürlich Russland dazukommen;

(Beifall bei der SPD)

es müssen all die Staaten hinzukommen, die einen Nachholbedarf haben, weil durch ein Verharren in fossilen und atomaren Energiegemengelagen ein massives Sicherheitsproblem entsteht. Das müssen wir aufgreifen. Das muss in die Umsetzung hinein. – Ich bin lange über die Zeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

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