Deutscher Bundestag, 205. Sitzung, 27. Januar 2021
TOP 4: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts
Drucksache 19/25821
Dr. Nina Scheer (SPD):
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrte Präsidentin! Ich möchte ebenfalls auf die beiden in den Fokus genommenen Punkte eingehen, die zwar nicht den kompletten Referentenentwurf abdecken, aber doch als Kernelemente bezeichnet werden können: Zum einen die Optimierung, die verfahrensrechtlich bedeutsam ist, und zum anderen die Fragen rund um die Verhältnismäßigkeitsklausel, die aufgenommen wird.
Zur Optimierung. Die missliche Situation mit der jetzigen Rechtslage – es ist schon gesagt worden – besteht darin, dass wir ein Auseinanderfallen von Patentgerichtsbarkeit und von Zivilgerichten haben, die für Nichtigkeitsklagen und Verletzungsverfahren zuständig sind. Insofern ist es nur folgerichtig, dass man sich da eine andere Lösung überlegt. Herr Jung hat ja gerade schon sehr ausführlich dargestellt, welche Optionen es da geben könnte. Ich denke auch, dass wir hier ein sehr effektives Mittel mit dem qualifizierten Hinweis gefunden haben, der innerhalb einer Frist von sechs Monaten vom Patentgericht zu geben ist. Damit ist man dann einfach auf der rechtssicheren Seite, wenn man wissen möchte, ob denn eigentlich ein bestandskräftiger Patentschutz, ein wirksames Patent gegeben ist.
Damit das tatsächlich in sechs Monaten zu leisten ist, ist auch daran zu denken, dass man eine gewisse personelle Ausstattung dafür braucht. Es brächte ja nichts, eine solche Regelung auf den Weg zu bringen, wenn man zugleich wüsste, dass die Patentgerichtsbarkeit dies nicht leisten könnte. Also auch die personelle Ausstattung des Bundespatentgerichts ist mit bedacht und soll entsprechend ausgeweitet werden.
(Beifall bei der SPD)
Im zweiten Kernbereich des Vorhabens – es ist ebenfalls schon erörtert worden – geht es um die Sicherstellung gerechter Einzelfallentscheidungen. Da sind wir im Kern bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung, die eingeführt werden soll. Es ist insofern nichts Neues in der rechtlichen Handhabung von Patenten, als dass der Bundesgerichtshof hier schon im Jahr 2016 einen Maßstab gesetzt und gesagt hat: Es kann nicht sein, dass aus Patentrecht ein Unrecht gemacht wird in der Praxis, nämlich ein Missbrauch.
Recht hat nun mal die Anfälligkeit, dass man bei Lücken und bei einer Handhabung, bei der das Recht sinnverkehrt in der Praxis angewendet wird, im Missbrauchsbereich ist. Es ist an uns, es nicht einfach nur als Rechtsprechung zur Kenntnis zu nehmen, sondern es auch rechtlich in Gesetzesform zu gießen. Insofern ist hier eine Regelung gefunden worden, die eine sehr gute Grundlage bietet, auch für uns im parlamentarischen Verfahren. Es geht darum, dass es nicht sein kann, dass die Rechtslage so verkehrt wird und sich aus einer Fülle an Einzelpatenten, die manchen Produkten zugrunde liegen, etwas herausgepickt wird. Das führt dann dazu, dass man – übrigens gilt das auch für Start-ups – mit Patent-rechtsklagen überzogen wird. Da liegt dann tatsächlich ein Missbrauch vor, und da muss man dann eben auch hineingrätschen.
Ich komme jetzt leider aus Gründen der Zeit kaum noch zum dritten Punkt. Es geht um den Drittschutz; den hat Herr Jung auch schon angesprochen. Da möchte ich noch mal ganz kurz darauf hinweisen, dass es schwierig ist, wenn diese Missbrauchsfälle – etwa in Zeiten der Coronapandemie – dazu führen, dass möglicherweise eine rechtswirksame Anwendung nicht gegeben ist und somit die Menschen, die dringend – Stichwort „Corona“ – auf die Impfung warten, leer ausgehen, weil Patentrechtstreitigkeiten auch zu einem Produktionsstopp führen können. Den Drittschutz müssen wir uns noch genauer anschauen, Herr Jung; in der Tat. Das darf auch nicht zu einer Aushöhlung führen.
Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:
Aber bitte in der nächsten Ausschusssitzung, nicht hier.
Dr. Nina Scheer (SPD):
In der Ausschusssitzung. Ich muss leider wirklich zum Schluss kommen. – Aber es gibt Anknüpfungspunkte, in denen das berechtigt ist. Das wollte ich nur sagen.
In diesem Sinne: Ich freue mich auf die Auseinandersetzung in der Ausschusssitzung.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ingmar Jung [CDU/CSU])