Zur Verabschiedung des Positionspapiers der SPD-Bundestagsfraktion „Whistleblower besser schützen“ erklärt die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer, federführende Berichterstatterin:
„Menschen, die aus Gewissengründen Rechtsverstöße und erhebliche Missstände aufdecken („Whistleblower“), erweisen unserer Gesellschaft einen wertvollen Dienst. Sie müssen hierfür nicht nur mehr Wertschätzung, sondern auch Rechtssicherheit erhalten, damit das schützenswerte Offenlegen von Betrügereien und Menschenrechtsverstößen nicht länger kriminalisiert und verfolgt wird.“
Viele der Wirtschaftsskandale der jüngeren Zeit – seien es nun die kriminellen Luftbuchungen und Bilanzmanipulationen des Wirecard-Konzerns oder der Diesel-Skandal im Automobilsektor – hätten verhindert werden können, wenn Staat und Öffentlichkeit nur rechtzeitig über das notwendige Insider-Wissen verfügt hätten, erläutert Scheer.
Auch wenn Whistleblower im Interesse des Allgemeinwohls auf Missstände und Straftaten hinweisen, werden sie in Deutschland immer wieder Opfer erheblicher Repressalien. Oft werden sie aufgrund ihrer Offenlegung von Missständen drangsaliert, gekündigt und müssen um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten. So erging es zum Beispiel dem Whistleblower Martin Powoll, der im Jahr 2016 die massenhafte Unterdosierung von Krebsmedikamenten, sogenannter Zytostatika, durch einen Apotheker aufgedeckt hatte; die aus Gewinnsucht absichtlich fehlerhafte Zubereitung der Medikamente hatte über Jahre hinweg tausende Krebspatient*Innen geschädigt. Ein ähnliches Schicksal erlitt auch die Altenpflegerin Brigitte Heinisch, die in einem Berliner Altenpflegeheim eine systematische Unterversorgung pflegebedürftiger Menschen offenlegte und hierfür gekündigt wurde. Nachdem ihre Kündigungsschutzklage vor deutschen Gerichten kein Gehör fand, hatte sie erst im Jahr 2011 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Erfolg. Dass diese und viele weitere Schicksale möglich sind, liegt vor allem daran, dass das deutsche Recht Whistleblower bislang nur äußerst unzureichend schützt.
Um den bestehenden Handlungsbedarf und Lösungsansätze für einen einheitlichen Whistleblower-Schutz aufzuzeigen, hatte Nina Scheer für ihre Fraktion ein Positionspapier initiiert, das nach internen Beratungen am 15. Dezember beschlossen wurde, vgl. https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/fraktionsbeschluss_whistleblowing_20201215.pdf .
Die Initiative und Positionierung steht im Kontext der seitens der Europäischen Union vor gut einem Jahr verabschiedeten Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern, die bis zum 17. Dezember 2021 in deutsches Recht umzusetzen ist (Richtlinie (EU) 2019/1937).
Scheer: „Mit dem Positionspapier der SPD-Fraktion wird der von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, SPD, erarbeitete Gesetzentwurf für ein Whistleblower-Schutzgesetz unterstützt. Es geht darum, möglichst alle Ebenen und Anwendungsbereiche zu erfassen – vom Schutz bei Verstößen gegen nationales Recht bis hin zur Einrichtung von Whistleblowing-Behörden“.
Mit der Positionierung hebt die SPD-Bundestagsfraktion folgende Kernpunkte hervor:
- Whistleblower müssen auch bei der Aufdeckung von Verstößen gegen nationales Recht, mindestens gegen Strafrecht und Ordnungswidrigkeiten, geschützt werden.
- Der Schutz muss die Aufdeckung erheblicher Missstände umfassen, sofern dies im besonderen Interesse der Allgemeinheit liegt.
- Bei der Umsetzung der Europäischen Whistleblowing-Richtlinie wird ein Rechtsrahmen für die Offenlegungen von Staatsgeheimnissen für den Fall angestrebt, dass eine Aufdeckung von grundlegender Bedeutung für das demokratische Gemeinwesen ist und die Rechtmäßigkeit der Offenlegung zuvor in einem In-Camera-Verfahren festgestellt wurde, um sicherzustellen, dass andere Rechtsgüter durch die Offenlegung nicht unangemessen gefährdet werden. Hierfür sehen wir im Bundesverfassungsgericht eine geeignete Instanz. Die Regelungen des PKGrG für Meldungen von Nachrichtendienstmitarbeitern sollen weiterentwickelt werden.
- Es müssen Whistleblowing-Behörden eingerichtet werden, um Vertraulichkeit und schnelle Aufklärung zu gewährleisten.
- Um potenziellen Whistleblowern Rechtssicherheit zu geben und die Freiheit der Medien durch einen effektiven Informanten-Schutz zu wahren, muss ein einheitliches Whistleblowing-Gesetz verabschiedet werden.
Als Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ist die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer Berichterstatterin für Marken- und Patentrecht, Geschäftsgeheimnisschutz und Whistleblowing. Aus rechts- und verbraucherpolitischer Sicht begleitet sie außerdem umweltpolitische und wirtschaftspolitische sowie datenschutzrechtliche Themengebiete.
Nina Scheer vertritt seit 2013 den Wahlkreis Herzogtum Lauenburg/Stormarn-Süd, Schleswig-Holstein. Sie ist des Weiteren Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung.