Bewaffnete Drohnen – Verzicht als Chance für gestaltende Friedenspolitik

Bild: Scheer

Erfahrungen anderer Länder im Einsatz mit bewaffneten Drohnen haben immer wieder gezeigt, welche Gefahren durch den Einsatz bewaffneter Kampfdrohnen nicht nur für das Leben unbeteiligter Zivilisten, sondern auch für die Soldatinnen und Soldaten entstehen.

Insbesondere der völkerrechtswidrige Drohnenkrieg der USA hat in Ländern wie Pakistan, Afghanistan und dem Irak erheblich dazu beigetragen, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung durch den Einsatz einer für sie unsichtbaren, ständigen Bedrohung immer mehr gegen die USA und gegen die von ihr eingesetzten Soldatinnen und Soldaten gewendet hat.

Trifft der Deutsche Bundestag die Entscheidung, Soldatinnen und Soldaten auf Grundlage eines Bundeswehrmandats in Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten erheblichen Gefahren für Leib und Leben auszusetzen, folgt hieraus zwingend die Pflicht, alles in seiner Macht stehende zu tun, um sie vor vermeidbaren Schäden zu schützen. Eben dieser Schutzzweck wird von Befürwortern des Einsatzes bewaffneter Drohnen als zentrales Argument für den Einsatz in kritischen militärischen Situationen angeführt: Zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten sei die Beschaffung und der Einsatz bewaffneter Drohnen geboten.

Ein vermeintlicher Schutz von Soldatinnen und Soldaten durch bewaffnete Drohnen steht für sich genommen bereits in Frage. Denn auch wenn der Schutzzweck auf den ersten Blick eingängig erscheinen mag, so ist doch aus den letzten Jahren des Einsatzes der Bundeswehr kein Fall bekannt, in dem der Einsatz von Kampfdrohnen das Leben von Soldatinnen und Soldatinnen gerettet bzw. das Fehlen solcher Drohnen das Leben gefährdet hätte.

Zudem ist eine umfassendere Betrachtung der Gefährdungspotentiale für Soldatinnen und Soldaten geboten.

Die deutsche Bundeswehr genießt in ihren Einsatzgebieten bei der Bevölkerung ganz überwiegend einen deutlich überdurchschnittlichen Ruf als konstruktive Friedensmacht. Mit dem Einsatz bewaffneter Drohnen droht sie diesen dort zu verlieren, wo zivile Opfer im Zusammenhang mit dem Einsatz von Drohnen zu beklagen sein werden.

Die Bedrohung durch Drohnen, die von ihnen in Einsatzgebieten kontinuierlich ausgeht, stellt für sich genommen für die Zivilbevölkerung eine erhebliche psychische Belastung dar. Die permanent gegenwärtige Möglichkeit, getötet zu werden, führt zu massenhaften Traumatisierungen. Diese mit dem Einsatz bewaffneter Drohnen unvermeidbar einhergehenden Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung widersprechen dem verfassungsgegebenen Verbot des militärischen Angriffs mit dem Selbstverständnis der Bundeswehr als Verteidigungsarmee. Die Erfahrungen mit dem Einsatz bewaffneter Drohnen kennzeichnen sie als Angriffswaffen. Das Risiko der auch psychologischen Schädigungen und deren Folgewirkungen ist dem Einsatz bewaffneter Drohnen unmittelbar zuzurechnen.

Auch die physische und psychische Unversehrtheit von Soldatinnen und Soldaten wird durch den Einsatz bewaffneter Drohnen gefährdet. Erfahrene Drohnenpiloten anderer Länder berichten seit Jahren von erschütternden psychischen Folgeschäden, die das ferngelenkte „Töten am Bildschirm“ bei ihnen hinterlassen hat. Vor diesen Schäden werden wir unsere Soldatinnen und Soldaten selbst durch die beste psychologische Unterstützung niemals vollständig bewahren können.

So haben sich die Drohneneinsätze der USA in den letzten Jahren als eines der vielleicht wirkungsvollsten Rekrutierungsmittel für Terrororganisationen erwiesen, deren ungebrochene Präsenz die eigentliche Gefahr für unsere Soldatinnen und Soldaten darstellt.

Vier ehemalige US-Drohnenpiloten hatten am 18.11.2015 einen offenen Brief an Präsident Obama, Verteidigungsminister Carter und CIA-Direktor Brennan gerichtet. Sie, ehemalige Angehörige der US-Luftwaffeerheben darin schwere Vorwürfe: „Diese Regierung und ihre Vorgängerregierung haben ein Drohnenprogramm aufgesetzt, das eine der verheerendsten Triebfedern des Terrorismus und der Destabilisierung weltweit ist.“ Sie seien allesamt an posttraumatischen Belastungsstörungen erkrankt, „als die Schuld zu groß wurde, die mit unserer Rolle beim Ermöglichen dieses systematischen Zerstörens unschuldiger Leben einherging“. Einige von ihnen seien „heute obdachlos. Andere kommen gerade so zurecht. Dabei haben wir massive Verschwendung erlebt, den Missbrauch von Macht – und ebenso, wie die Führer unseres Landes öffentlich über die Effektivität des Drohnenprogramms gelogen haben.“ Sie prangern die „beispiellose Verfolgung von Whistleblowern […] wie […] Chelsea Manning, Julian Assange und Edward Snowden“ an. Einer dieser „senior airmen“ war Cian Westmooreland, der sich mit den Strukturen der US-Drohnenkriegführung auseinandersetzte und sie wie folgt darstellte:

Die Struktur der Drohnenkriegführung: Die Analyse und die Entscheidung seien hochkomplex und durch ineinandergreifende Zuständigkeiten für das Joint Staff Operation Center (JSOC), der CIA und zivile Kontraktoren geteilt. Die Drohnenpiloten könnten das Zustandekommen dieser Entscheidungen nicht überprüfen. Eine Kontrolle durch Dritte gebe es nicht. Jedoch suggeriere die Technologie eine falsche Sicherheit beim Erkunden der Lage auf dem Grund.

Das kognitive Vorurteil: Der Handelnde sei im Grunde befangen. Er kenne die kulturellen Gegebenheiten nicht, sondern sei durch Gehorsam gegenüber Autoritäten geprägt. Das Starren auf einen Bildschirm bedeute eine völlig andere Entscheidungssituation als die in einer Gruppe mit ihren Kommunikationsmöglichkeiten. 

Das linguistische Problem: Der verbale Austausch sei auf Akronyme, also Abkürzungen, verkürzt. Das entmenschlichte Töten dieser speziellen Sprache verneble, dass möglicherweise Zivilisten getötet würden. So werde etwa der Tötungsakt als »cellphone targeting« verharmlost.

Politische Dimension: Wenn der Drohnenpilot keine toten Soldaten auf dem Schlachtfeld sehe, werde ihm das politische Risiko des Tötens abgenommen. Das erleichtere die Tötung von Zivilisten. Damit werde die Drohne von einem »ethischen Handwerkszeug« zu einer Waffe der Feigheit und Missachtung.

Zukünftige Entwicklungen: Die Unverletzlichkeit des Drohnenpiloten provoziere den Drang nach mehr Autonomie. So würden schnellere Antworten möglich. Das führe schließlich (perspektivisch) zu autonomen Killer-Robotern.

Alternativen: Die Zivilgesellschaft müsse sich um mehr Transparenz bei der Drohnenkriegführung kümmern. Das Wichtigste sei Klarheit über die Opfer. Nur so könne Rechenschaft abgelegt werden darüber, ob Tötungen »nötig« waren oder nicht (siehe Becker in: DVBl. 2018, 619, 626)

Es besteht meines Erachtens über den Einsatz von bewaffneten Drohnen auf Einsatzseite zudem die Gefahr einer schleichenden Zielverschiebung: an die Stelle der Befriedung tritt die Effektivität der Zerstörung – und dies bis in die Berichterstattung hinein: In einem Artikel der SZ vom 9.12.2020, „Ferngesteuertes Inferno“, über den jüngsten Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien und die hier eingesetzten bewaffneten Drohnen steht allein der kurze Zeitraum und das auf beiden Seiten zerstörte militärische Gerät im Fokus – Opfer, ob unter Soldaten oder Zivilbevölkerung bleiben hingegen unerwähnt, als gebe es sie nicht oder zählten sie nicht. Dabei gab es sie – Tausende, wie später berichtet.

Die Auseinandersetzung mit Bedingungen und Kriterien, die an den Einsatz bewaffneter Drohnen zu stellen sind, ist im Koalitionsvertrag 2018 angelegt, wonach „der Deutsche Bundestag“ über die Beschaffung von Bewaffnung „nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden“ will. Hierzu werde die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten. „Vor einer zukünftigen Beschaffung von bewaffnungsfertigen Drohnen sind die konzeptionellen Grundlagen für deren Einsatz zu schaffen.“ Der Koalitionsvertrag besagt ferner, dass völkerrechtswidrige Tötungen, auch durch Drohnen, kategorisch abgelehnt werden.

Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker der SPD-Fraktion haben Mitte dieses Jahres einen Katalog an verbindlichen Kriterien für den Einsatz bewaffneter Kampfdrohnen formuliert, mit der Maßgabe, dass eine Bewaffnung von Drohnen überhaupt nur dann in Betracht kommen kann, wenn sich die Einhaltung aller diese Kriterien garantieren ließe (siehe „Liebe-Freunde-Brief“ an die SPD-Fraktion vom 02.07.2020).

Hierzu zählen konkret:

  1. das ausdrückliche Verbot extralegaler Tötungen 
  2. die kategorische Ablehnung von vollautomatisierten Drohnen und anderen Waffensystemen 
  3. die Erstellung und Offenlegung eines verbindlichen Einsatzkonzeptes für Drohnen 
  4. der Einsatz von Drohnen nur wenn er explizit im jeweiligen Bundeswehrmandat vorgesehen ist 
  5. Die Verortung des operativen Hauptquartiers mit den Kontroll- und Steuereinheiten für Drohnen im Einsatzland 
  6. Eine größtmögliche Fürsorge und psychologische Begleitung für das Bediener- und Kontrollpersonal

Das Bundesverteidigungsministerium legte am 03.07.2020 einen Bericht zur Debatte über eine mögliche Beschaffung bewaffneter Drohnen vor, einschließlich eines Anhangs mit konkreten Grundsätzen für deren Einsatz.

Auch wenn sich die meisten der oben genannten Kriterien in gewisser Form innerhalb der Berichtsbegründung wiederfinden, zeigen der Bericht und die dort aufgeführten Einsatzgrundsätze zugleich, dass sich die Einhaltung der Kriterien bei der Anschaffung bewaffneter Kampfdrohnen nicht garantieren lässt und somit auch die eingangs dargelegten Gefährdungen für Zivilistinnen und Zivilisten sowie Soldatinnen und Soldaten nicht hinreichend entschärft werden können.

So hat im maßgeblichen Einsatzgrundsätze-Anhang keines der Kriterien einen hinreichend verbindlichen Niederschlag gefunden. 

Kriterium 1 – das Verbot extralegaler Tötungen – spiegelt sich allein in einem Verweis auf die völker- und verfassungsrechtlichen Grenzen eines jeden Einsatzes wider (Punkte 2-4 des Papiers). Schon die einschlägige Interpretation des Völkerrechts durch die USA mit dem Ergebnis einer vermeintlichen Zulässigkeit extralegaler Tötungen zeigt, dass hierdurch kein verbindliches, unbedingtes und unveränderliches Verbot geschaffen wird. Denn es ist dem Völkerrecht eigen, dass es durch seine Auslegung weiterentwickelt wird.

Über die Bekämpfung legitimer militärischer Ziele hinaus sollen Kampfdrohnen zwar nur zur Abwehr einer drohenden Gefahr für Leib oder Leben zulässig sein, auch dies allerdings nur „grundsätzlich“.  Im Gegensatz zum umgangssprachlich verbreiteten Wortsinn schließt dies im juristischen Sprachsinn gesonderte Fälle nicht aus.

Anders als möglicherweise angenommen, schließen die mit dem Bericht formulierten Einsatzgrundsätze auch die Tötung unschuldiger Zivilisten nicht aus, sondern unterstellen, dass sie stattfinden werden bzw. sich nicht ausschließen lassen: Es wird eben in Bezug auf diese Annahme ziviler Opfer eine umso höhere Entscheidungsebene adressiert, „je wahrscheinlicher zivile Kollateralschäden sind“ (Punkt 10). Dass zivile Opfer hierdurch „auf ein Mindestmaß beschränkt werden“ (Punkt 6), muss angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre leider grundlegend bezweifelt werden. Die Fakten sprechen mehr für das Vorkommen ziviler Opfer als dafür, dass sie vermeidbar sind.

Auch andere Kriterien finden sich nur in abgeschwächter oder relativierter Form in den Einsatzgrundsätzen. Kriterium 2 – die kategorische Ablehnung vollautomatisierter Tötungen – kann allenfalls aus der Definition der Kampfdrohnen als „unbemannte Luftfahrzeugsysteme, die von einer Pilotin oder einem Piloten im Einsatzgebiet gesteuert werden“ herausgelesen werden. Ein wörtlicher Ausschluss findet nicht statt. Durch diese Formulierung nicht eindeutig sichergestellt ist, ob auch das Kriterium 5 – die Verortung des operativen Hauptquartiers im Einsatzland – zuverlässig umgesetzt wird. Das verfassungsrechtlich zwingende Kriterium 4 – die explizite Zustimmung zum Drohneneinsatz – wird in den Einsatzgrundsätzen durch das Wort „grundsätzlich“ abgeschwächt und damit verwässert (Punkt 2).

Die größtmögliche Fürsorge und psychologische Betreuung unserer Soldatinnen und Soldaten (Kriterium 6) finden in den Einsatzgrundsätzen schließlich keinerlei Berücksichtigung.

Die mit den Fragestellungen betrauten Kolleginnen und Kollegen haben sich in den letzten Monaten mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass der mögliche Einsatz bewaffneter Kampfdrohnen durch die Deutsche Bundeswehr an enge Kriterien gebunden ist. Damit wurden strengere Maßgaben formuliert, als dies in allen anderen Staaten der Fall ist, die bisher schon auf dieses Waffensystem zurückgreifen.

Zugleich sind Einsatzgrundsätze laut unserer Verfassung für jedes Bundeswehrmandat parlamentarisch zu entscheiden, womit die mit dem Bericht formulierten Einsatzgrundsätze aus sich heraus keine Bindungswirkung hätten. Letztere wahrscheinlich auch dann nicht, wenn der Bundestag dies „auf Vorrat“ beschlösse.

Ob oder inwieweit sich der Einsatz deutscher Kampfdrohnen von den oft schrecklichen Folgen der Drohneneinsätze anderer Staaten unterscheidet, wird sich mit Sicherheit erst auf Grundlage des konkreten Einsatzmandates, des individuellen Lagebildes vor Ort und – letzten Endes – im Moment der Entscheidung über den Einsatz tödlicher Gewalt vor dem Steuerungsbildschirm zeigen.

Die Befassung mit den Kriterien offenbart somit zugleich die Grenzen ihrer Aussagekraft für die Entscheidung über die Bewaffnung von Drohnen selbst. Dies ist gewiss kein Zeichen mangelnder Auseinandersetzung durch die Beteiligten, sondern offenbart die Gefahren, die mit dem Einsatz bewaffneter Drohnen unweigerlich zusammenhängen.

Fazit: 

– Deutschland sollte als Garant für den ethisch begründeten Verzicht auf eine Technologie stehen, deren Einsatz im Einklang mit dem verfassungsgegebenen Auftrag der Bundeswehr als Verteidigungsarmee heute nicht garantiert werden kann. Als Angriffswaffen können bewaffnete Drohnen diesen verfassungsgegebenen Auftrag nicht hinreichend erfüllen.

– In dem Verzicht auf bewaffnete Drohnen liegt die Chance, die heute verbreitet unterstellte Unvermeidbarkeit eines beginnenden Zeitalters von Drohnen-Kriegen und hiermit einhergehendes Wettrüstens um die zerstörungseffektivsten Waffensysteme durch eigenes Handeln zu widerlegen und damit auch völkerrechtliche Maßstäbe zu setzen.  

– Mit einer fortgesetzt hinterfragenden Auseinandersetzung der Aus- und Folgewirkungen des Einsatzes bewaffneter Drohnen stärkt und fördert Deutschland alternative staatliche Handlungsoptionen, die andernfalls immer weiter zurückgedrängt werden.

– Der Einsatz bewaffneter Drohnen vermittelt die Gefahr einer schleichenden Zielverschiebung in Fragen der Konfliktbewältigung: an die Stelle von Verteidigung und Befriedung tritt die Effektivität der Zerstörung

Mit den dargelegten Erwägungen halte ich eine Entscheidung für die Beschaffung von bewaffneten Drohnen oder die Bewaffnung von Drohnen für den falschen Weg.

 

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