Erste Beratung der Bundesregierung, Einzelplan 16 (Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit)
Dr. Nina Scheer (SPD):
Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eigentlich direkt anknüpfen an das – das macht lebendigen Parlamentarismus ja auch aus -, was meine Vorrednerin gerade ausgeführt hat.
(Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerne!)
Denn es ist, glaube ich, ein verbreiteter Irrglaube, dass mehr Klimaschutz immer nur bedeutet, auf das hinzuweisen, was man alles noch nicht hat. Vielmehr müssen wir darauf schauen: Was ist in der Vergangenheit gut gelaufen, und was wird verkannt?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meines Erachtens wird das manchmal ganz gezielt eingesetzt. Da muss ich jetzt – selbst wenn Sie, Frau Dött, gerade geklatscht haben – auch mit uns in der Koalition ein bisschen kritisch umgehen.
(Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Ich kann das ab!)
Nach meiner Beobachtung ist der Einstieg in die Energiewende immer ganz gezielt mit dem Ausstieg aus der Atomenergie in der zweiten Runde, nämlich 2011 nach Fukushima, kommunikativ verknüpft worden; ganz geschickt kommunikativ. Das hat dann aber zur fatalen Folge, dass alle Energiewende- und Klimaschutzmaßnahmen, die uns bis dahin erfolgreich nach vorne gebracht hatten, ausgeblendet werden und dass das EEG als der Klimaschutzmotor schlechthin,
(Grigorios Aggelidis (FDP): Das kann jetzt nicht Ihr Ernst sein, das EEG als Erfolg zu bezeichnen! Eine der größten Fehlinvestitionen überhaupt! – Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist nach 2005 passiert!)
nämlich durch den Ausbau erneuerbarer Energien, einfach nicht mehr wahrgenommen wird.
(Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, aber es ist vorher verabschiedet worden!)
Das ist kommunikativ eine „Glanzleistung“ gewesen.
Insofern appelliere ich an uns alle, nicht nur darauf zu schauen, was man zukünftig noch mehr machen muss, sondern dringend auch wieder darauf zu schauen, welche Hemmnisse in den letzten Jahren eingebaut wurden. Denn gerade von der fossil-atomaren Energiewirtschaft wurde alles getan, den Prozess hin zu erneuerbaren Energien zu verlangsamen. Welche Hemmnisse wurden eingebaut, und an welcher Stelle muss man wieder etwas abbauen, um zu dem zurückzukommen, was unter Rot-Grün 2000 mit dem EEG eingeführt wurde?
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich wiederhole es: Die größten CO2-Einsparungen, die wir bisher hinbekommen haben, sind über den Ausbau erneuerbarer Energien geschehen. Das ist Fakt.
(Dr. Lukas Köhler (FDP): Null! Nicht eine Tonne!)
– Das ist einfach falsch, Herr Köhler. Das wissen Sie genau! Der von Ihnen so viel beschworene Emissionshandel hätte nicht ein bisschen wirken können,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
wenn man nicht die Alternativen hätte und wenn die nicht Markteinführung bekommen hätten. Das wissen Sie genau.
(Dr. Lukas Köhler (FDP): Null!)
Es ist Teil der Vernebelungstaktik, und es ist Teil der Verzögerungstaktik, wenn immer wieder nur auf diesen Emissionshandel abstellt wird
(Dr. Lukas Köhler (FDP): Nein, ist doch Quatsch! Das sagen Ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler! Genau das Gegenteil! Hören Sie doch auf die Wissenschaft!)
und ignoriert wird, welche Markteinführungsinstrumente man braucht und welche Anreize man braucht. Man braucht Anreize, um Alternativen zu geben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und diese Alternativen müssen verstärkt gegeben werden.
Ich bin, ehrlich gesagt, erneut ziemlich verärgert über unseren Koalitionspartner; das muss ich leider sagen. Wir in der Koalition haben eine Reihe von sehr guten Ansätzen dank der SPD hinbekommen – Stichworte „Kohleausstiegsgesetz“, „Klimaschutzgesetz“. Jetzt, wo es um die Umsetzung geht, nämlich die Hemmnisse beim EEG, die ich gerade erwähnt habe, endlich zu beseitigen, da kommt auf einmal aus dem Hause Altmaier ein 20-Punkte-Programm
(Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU): Wir reformieren doch das EEG! Wir verhandeln doch und machen es besser!)
– ich würde gerne meine Redezeit auch zum Reden nutzen dürfen -, in dem er nur wiederholt, was wir schon beschlossen haben, und eine Beschwörung des Emissionshandels stattfindet. Er lenkt damit davon ab, dass er im gleichen Moment eine EEG-Novelle anzuschieben hat, die endlich den Ausbau der Erneuerbaren wieder dahin bringt, wo wir einmal waren und wo wir auch wieder hin müssen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Aber wir werden noch mehr machen!)
Es ist mir wichtig, das auch in das Zentrum der Haushaltsdebatte zu setzen, weil die ganzen Gelder, die man bereitstellt – in welchen Ressorts auch immer – nichts helfen, wenn an einer anderen Stelle an Stellschrauben gedreht wird, die die Alternativen, den Ausbau und die Generierung von neuen Jobs verhindern.
(Dr. Rainer Kraft (AfD): Welche Jobs denn? In China?)
Aber genau das passiert gerade; das passiert mit dieser EEG-Novelle.
Deswegen hat Svenja Schulze zu Recht eine Protokollerklärung an ihre Zustimmung gehängt. Anders wäre es nicht gegangen, überhaupt noch rechtzeitig ins parlamentarische Verfahren zu kommen. Insofern finde ich das einen guten Schachzug von ihr – auch noch mal von mir: Herzlichen Glückwunsch! -, dass dies so gelöst wurde. Sonst wäre die Rechnung aufgegangen, dass wir am Ende des Jahres wieder nur mit weiteren Zielbestimmungen und weiteren Punkten in Form der schon erwähnten 20-Punkte-Planung nach Hause gegangen wären und wieder keine Umsetzungsschritte bekommen hätten. Das darf so nicht passieren. Wir als SPD-Fraktion werden alles daransetzen, dass die Erneuerbare-Energien-Gesetz-Novelle auch das einlösen kann, was sie verspricht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist noch vieles weitere zu tun. Wir haben in der letzten Sitzungswoche auch im Bereich nachhaltige Entwicklung etwas beschlossen. Ich erwarte, dass die Bundesregierung dies so umsetzt, damit wir den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung weiterentwickeln. Wir als Abgeordnete haben Vorarbeit geleistet, sodass aus Nachhaltigkeitsprüfungen auch tatsächlich Nachhaltigkeitsprüfungen werden und wir die Nachhaltigkeitsziele auch wirklich in die Gesetzgebung implementiert bekommen; das will ich nur noch kurz erwähnt haben. Aber ich bin, wenn ich das richtig sehe, schon über meiner Redezeit.
Danke.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)