Interimslösung an Fischtreppe nicht in Frage stellen

In einer Antwort auf die Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Kathrin Bockey an das Umweltministerium Schleswig-Holstein wird erklärt, der Fischaufstieg an der Fischaufstiegsanlage bei Geesthacht sei nicht aufgehoben, sondern lediglich eingeschränkt. So heißt es in der Antwort des Landesumweltministeriums, MELUND, unter anderem: „Die Anlage ist im Vergleich zu anderen Fischaufstiegsanlagen, z. B. an Rhein und Mosel, als überdurchschnittlich groß zu bewerten, und sie verfügt über eine interne Zudotierung von Wasser zur Verbesserung der Leitströmung, um die Auffindbarkeit zu erleichtern. Ferner ist zu beachten, dass aufstiegswillige Wandersalmoniden (und ggf. weitere Fischarten) das Wehr bei bestimmten Wasserständen auch gänzlich ohne Nutzung der Fischaufstiegshilfe direkt überwinden können. Somit stellt das Wehr zumindest für die Arten Lachs und Meerforelle bei bestimmten Konstellationen kein unüberwindbares Hindernis dar.“

In Bewertung der Auswirkungen der durch Baumaßnahmen im Jahr 2019 verursachten Einschränkungen der Durchlässigkeit heißt es: „(…) Die Fischwanderung ist somit nicht gänzlich unterbrochen. In welchem Umfang die fehlende externe Lockströmung die Fischwanderungen beeinflusst, kann nicht abschließend beurteilt werden.“

Hierzu erklärt die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer: „Die Antwort des grün geführten Ministeriums ist weder sachlich sachvollziehbar noch zur Wiederherstellung der Lockströmung förderlich. Es wird an verschiedenen Stellen zu verstehen gegeben, dass das Ausmaß der Beeinflussung von Seiten des Ministeriums nicht beurteilt werden kann. Dies ist für sich genommen zwar nachvollziehbar, da seit einigen Jahren kein Monitoring mehr stattfindet. Wenn aber das Ausmaß an Beeinträchtigung aufgrund eines fehlenden Monitorings nicht bewertet werden kann, kann auch nicht unterstellt werden, dass die Fischwanderung nicht gänzlich unterbrochen ist.“ Zudem bliebe durch die Antwort offen, wie sich das MELUND zu der nun von Seiten des Wasser- und Schifffahrtsamtes Lauenburg, WSA, für September geplanten Interimslösung verhielte, in die es laut der Antwort auf die Kleine Anfrage „eingebunden“ werde. „Denn in der Antwort stellt das MELUND die Interimslösung faktisch selbst in Frage, wenn es erklärt, die Fischwanderung werde derzeit nicht gänzlich unterbrochen“, so Scheer.

Kathrin Bockey, SPD-Landtagsabgeordnete ergänzt: „Die Antwort des Umweltministeriums ist ein Armutszeugnis. Experten haben in jahrelanger Planung die europaweit größte Fischtreppe konzipiert, dass sie dabei eine Lockströmung vorgesehen haben, hat seine Gründe. Jetzt zu behaupten, dass sie ein unwesentlicher Baustein sei, kann nicht ernsthaft Auffassung des MELUND sein. Alle anderen an dem Verfahren Beteiligten ist die Wichtigkeit der Lockströmung klar. Ich hoffe sehr, dass sie bis September hergestellt werden kann und darauf muss alle Kraft verwendet werden. Trotzdem braucht man einen Plan B, dieser würde eine Umsetzung der Fische bedeuten, dies fiele in den Bereich des MELUND. Sich nicht einmal gedanklich mit dieser Aufgabe zu befassen, grenzt an Arbeitsverweigerung“.

Scharfe Kritik an der Antwort des Kieler Umweltministeriums übt auch der NABU Geesthacht. „Monitoring-Ergebnisse aus Dessau belegen, dass die erwarteten Wanderfische wie Lachse und Meerforellen im Herbst/Winter 2019 praktisch nicht nachweisbar waren. Die Haltung des MELUND, dass die Staustufe weiterhin überwindbar ist, ist unsachlich und ökologisch fatal“, fassen Heike Kramer und Jürgen Vollbrandt vom Ortsvorstand des NABU Geesthacht zusammen. „Die fehlende Lockströmung der FAA Nord und die zugeschüttete FAA Süd führen zu einer massiven Gefährdung der Wiederansiedlungsprojekte der anadromen Fischarten“, bezieht Jens Gutzmann vom Geesthachter NABU Stellung und weist auf die hohe Bedeutung der Heberleitung hin. Der NABU stellt klar, dass der Ablauf der Fischtreppe nicht als ausreichende Lockströmung angesehen werden kann. Die Strömungsverhältnisse werden zudem stark davon beeinflusst, welches Wehrtor geöffnet ist. „Die Interimslösung sichert den Aufstieg zu den Laichgebieten und darf nicht in Frage gestellt werden. Auch die Maßnahme der Abfischung und Umsetzung von Lachsen und Meerforellen sollte vorbereitet sein, um im Falle einer Verzögerung im Bau der Heberleitung umsetzbar zu sein!“, betont Jens Gutzmann.

Bettina Boll vom BUND Geesthacht erklärt: „Ich bin verblüfft, mit dieser Antwort habe ich nicht gerechnet, sie absolut kontraproduktiv mit Blick auf die Interimslösung“.

Naturschützer und SPD-Politiker sind sich einig: Der Aufstieg der Wanderfische darf kein Lotteriespiel sein.

„Die Antwort des MELUND wirft mehr Fragen als Antworten auf und kann so nicht stehen bleiben. Schließlich gibt es nicht zuletzt europäische Rechtsgrundlagen, die zur Herstellung der Durchgängigkeit verpflichten“, so Scheer.