Dr. Nina Scheer (SPD):
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, in Ihrer Rede zum Petersberger Klimadialog haben Sie am 28. April 2020 ausdrücklich begrüßt, dass eine Emissionsreduktion auf 50 bis 55 Prozent im Vergleich zu 1990 erfolgen soll. Wie ist dies mit dem jüngsten Papier der CDU/CSU-Fraktion vereinbar, in dem dieses Ziel nicht mitgetragen wird? Es wird darauf verwiesen, dass man dazu einen Lastenausgleich in der EU bräuchte, und alle wissen, dass das sehr schwer ist.
Für mich und unsere Fraktion stellt sich daneben auch die Frage: Wie ist diese Äußerung auf dem Petersberger Klimadialog, die wir ja begrüßen, mit der anhaltenden Verweigerung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vereinbar, wenn es darum geht, den Solardeckel abzuschaffen?
Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:
Erst mal hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gestern ein Klimapapier verabschiedet, in dem sie sich zur Klimaneutralität im Jahre 2050 bekannt hat. Die Bundesregierung hat mit Unterstützung des Parlaments eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. Wir werden noch weitere ergreifen müssen, um auch die Zwischenziele zu erreichen.
Das Zweite ist: Es geht um die Frage, wie sich die Europäische Union in ihrer Zielsetzung weiterentwickeln wird. Die Kommissionspräsidentin hat gesagt, dass sie das Ziel 2030 von 40 Prozent auf 50 bis 55 Prozent an- heben will. Das habe ich begrüßt. Die Unionsfraktion sagt, dass dazu aber auch neue Verhandlungen zur Lastenverteilung geführt werden müssen. Das ist für mich ganz selbstverständlich. Wir haben Mitgliedstaaten, die zum Beispiel bis 2030 Reduktionsraten haben, die sogar bei null liegen, wenn ich mich recht erinnere. Ich glaube, wenn wir alle miteinander in der Europäischen Union die Klimaneutralität 2050 erreichen wollen, dann wird man mit einem Reduktionsziel 2030 von null sicherlich nicht hinkommen. Das heißt, es wird ganz automatisch unter den Mitgliedstaaten – ich gebe Ihnen recht; es wird schwer; es
war auch bis jetzt schon schwer; die Verhandlungen werden nicht leichter werden – Verschiebungen geben und auch unterschiedliche Lastenteilungen. Die Bundesrepublik wird sich daran beteiligen. Aber es kann nicht sein, dass der Schlüssel von 2020 oder 2017, als wir darüber verhandelt haben, einfach so bleibt.
Der letzte Punkt war der PV-Deckel. Wie Sie wissen, gibt es in der Tat mühselige, aber hoffentlich irgendwann endende Verhandlungen über die Frage der Windenergie. Es gibt dann die politische Zusage, dass der PV-Deckel aufgehoben wird. Daran ändert sich auch nichts.
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:
Danke sehr. – Die Bundeskanzlerin hat jetzt etwas mehr Zeit bekommen, weil sie zugleich für die CDU/CSU-Fraktion antworten musste.
Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:
Deren Mitglied die Bundeskanzlerin ist.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:
Ja, der Bundestagspräsident auch. – Aber Sie haben eine Nachfrage, Frau Kollegin Scheer.
Dr. Nina Scheer (SPD):
Aber wie wollen Sie, liebe Frau Merkel, dann den Widerspruch auflösen, den wir hier akut haben – mit schon jetzt drohenden Arbeitsplatzverlusten -, wenn der Solardeckel und das nationale Beispiel in der Europäischen Union zu scheitern drohen, falls wir nicht unmittelbar handeln? Wir haben auch in dieser Woche das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf der Tagesordnung. Insofern frage ich, ob Sie zur Kenntnis nehmen, dass inzwischen selbst auf internationaler Ebene dringend appelliert wird – auch im Kontext mit Konjunkturprogrammen -, den Schwerpunkt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zu setzen.
Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:
Ja. Ich werde auch morgen die Gelegenheiten in der Vorbereitung des Bundesrates wieder nutzen, um noch mal mit den Ministerpräsidenten zu sprechen im Hinblick auf die Windenergie, damit wir diese Frage schnellstmöglich lösen. Ich stimme Ihnen zu: Wir sollten hier baldmöglichst eine Lösung finden. Ich werde mich auch dafür einsetzen. Dass es Ihnen zu lange dauert, verstehe ich auch.
Quelle: Deutscher Bundestag