Rede: Erneuerbare-Energien-Gesetz

Deutscher Bundestag, 149. Sitzung, 5. März 2020 TOP 11:
Erste Lesung Grüne-Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes

Dr. Nina Scheer (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein zentrales Instrument für Industriepolitik, und zwar für zukunftsfähige Industriepolitik. Und wenn man sich jetzt anschaut, wie das Instrument in den letzten 20 Jahren gewirkt hat – dieses Instrument wirkt ja seit 20 Jahre in Form des EEGs -, dann muss man erkennen: Es ist nicht nur für Deutschland ein enormes Erfolgsrezept gewesen; vielmehr haben sich 113 Länder weltweit an diesem Instrument orientiert, haben ein Feed-in-Tariff-System, ein Einspeisevergütungssystem, in abgewandelter, teilweise in kopierter Form eingeführt. Insofern finde ich es unerträglich, wenn das entscheidende Instrument teilweise hier in Deutschland unter den Teppich gekehrt wird, indem man einfach sagt, die Energiewende habe erst mit dem zweiten Atomausstieg nach Fukushima angefangen.

Genau da beginnt eigentlich schon die Verquertheit gewisser politischer Wendungen, die wir zurzeit erleben. Es wird etwa einfach an den Emissionshandel angeknüpft, statt an die erfolgreichen Instrumente, die über die letzten Jahre tatsächlich für den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Realität gewirkt haben. Deswegen müssen wir an dieser Stelle auch eine korrekte Geschichtsschreibung betreiben.

Weltweit haben wir bei den erneuerbaren Energien ein Wachstum von 20 bis 30 Prozent. Das sind Wachstumssprünge, die wir sonst in fast keiner Technologie haben. Das betrifft die erneuerbaren Energien weltweit, aber leider nicht bei uns. Genauso sieht es auch mit den Arbeitsplätzen aus. Leider erleben wir zurzeit, dass in Deutschland 35 000 Arbeitsplätze im Bereich der Windenergie bedroht sind. Wir haben nach den von der schwarz-gelben Regierung eingeführten Veränderungen beim EEG im Jahr 2012 erlebt, dass 70 000 Arbeitsplätze im Bereich der Solarenergie verloren gegangen sind. Wir dürfen nicht das Gleiche wieder bei den erneuerbaren Energien im Windsektor erleben.

Aber leider – Herr Altmaier, da möchte ich Sie ganz persönlich ansprechen – müssen wird jetzt damit rechnen. Wenn Sie nicht dringend handeln und die Versprechen, die teilweise schon als erfüllt erklärt wurden, einlösen und die entsprechenden Gesetze vorlegen. Wir haben den Solardeckel immer noch nicht abgeschafft, obwohl es hier teilweise schon so erklärt wurde. Ich habe im Austausch mit einigen Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion den Eindruck gewonnen, dass tatsächlich angenommen wird, wir hätten ihn schon abgeschafft. Nein, es ist nicht so, und Sie wissen das.

Deswegen mein dringender Appell: Legen Sie die entsprechenden Gesetze vor, und nehmen Sie den Solardeckel nicht länger als Faustpfand für die Abstandsregelung, von der Sie ganz genau wissen, dass sie so, wie sie zurzeit im Gespräch ist – 1000 Meter Abstand zu Häusern, wie Sie es vorgeschlagen haben, sowie die Anwendung dieser Abstandsregelung auf die Repowering-Flächen -, dazu beitragen wird, dass wir den Windenergieanteil in Deutschland verringern und nicht ausbauen werden. Damit ist das 65-Prozent-Ziel nicht zu erreichen, und das wissen Sie. Deswegen appelliere ich an Ihre energiepolitische Vernunft und fordere Sie auf, diese Maßnahmen jetzt endlich einzuleiten.

Ich habe einen Verdacht. Wir als SPD-Fraktion sind die Antriebskraft für die energiepolitischen Elemente dieser Koalition; wir haben die Klimaschutzgesetzgebung in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. Ich erlebe, dass von Ihrer Fraktion und von Ihnen persönlich immer wieder genau diese Elemente hervorgehoben werden. Ich habe also den Eindruck, dass Sie sich auf diesen Zielsetzungen ausruhen, die ja jetzt noch gar nicht wirken können, und dass Sie versuchen, quasi mit diesem grünen Feigenblatt zu vermeiden, die Elemente, die wir brauchen, damit wir die gemeinsam beschlossenen Dinge erreichen können, jetzt umzusetzen. Das kann so nicht sein.

Wir können nicht das Feigenblatt der Koalition in der Klimapolitik sein. Insofern – meine Zeit ist leider zu Ende – appelliere ich an Sie.

Vielen Dank.

Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestages