Rede: AfD fordert ein Atommüll-Endlager zu vermeiden

Deutscher Bundestag, 104. Sitzung, 14. Februar 2020
TOP 24: Antrag der Fraktion der AfD
Atommüll-Endlager vermeiden – Hochradioaktive Reststoffe verwerten
Drucksachen 19/17127

Dr. Nina Scheer (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem Antrag wird ja erklärt, dass man mit Partitionierung und Transmutation das Potenzial an endzulagerndem Material verringern könnte und daraus auch Energie gewinnen könnte.

(Karsten Hilse [AfD]: Richtig! Das stimmt!)

Ich möchte gleich zu Anfang sagen – vielleicht habe ich bei Ihnen was überhört, Herr Kraft; Sie haben den Antrag sehr ausführlich vorgestellt –: Ich habe nichts davon gehört, dass Sie mit dem, was Sie da vorlegen, Energie aus Atomkraft erzielen wollen.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das ist optional!)

Das steht im Antrag drin, Sie haben es hier verschwiegen.

(Karsten Hilse [AfD]: Das ist optional!)

Das fand ich interessant. Ich glaube, ehrlich gesagt, dass das das Eigentliche ist, was Sie damit verfolgen. Sie wollen uns hier wieder in eine Debatte ziehen, in der man sich dann in technischen Möglichkeiten und Verästelungen verirrt,

(Karsten Hilse [AfD]: Dass Ihnen das nicht gefällt, ist mir klar!)

die Bevölkerung damit konfrontieren, dass wir uns hier mit Atomenergie beschäftigen. Es geht Ihnen ja eigentlich darum, dass Sie uns glauben machen wollen, dass das alles so schön einfach und technisch lukrativ und sinnvoll sei, wieder neu in die Atomenergie einzusteigen.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Wenn es einfach wäre, könnten Sie es auch machen!)

Das ist einfach Schwachsinn. Das ist irrwitzig. Es ist auch technisch und risikoorientiert nicht sinnvoll, diesen Weg zu gehen.
Ich möchte in der Tat, weil es der Antrag leider erforderlich macht, darauf im Einzelnen noch ein bisschen eingehen. Es ist schon einiges dazu gesagt worden; Herr Möring hat schon die wichtigsten Details genannt.

(Karsten Hilse [AfD]: Nein, das hat er nicht!)

Das Hochrisikopotenzial, das darin liegt, ist etwa die Verbreitung durch Massenvernichtungswaffen. In der Tat ist dieses Risiko immanent und damit natürlich verbunden. Wenn man Material auseinanderdividiert, wie das in diesem Prozess erforderlich ist, dann muss man es transportieren, muss es lagern; man muss es sogar für eine ganze Zeit zwischenlagern. Sie haben nur von ein paar Jährchen gesprochen. In der Tat müssen die hochaktiven wärmeentwickelnden Abfälle erst einmal eine ganze Weile abklingen.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Dr. Kraft?

Dr. Nina Scheer (SPD):
Nein, ich finde, Herr Kraft hat schon ordentlich ausgeführt, was er zum Besten zu geben hatte. Insofern glaube ich nicht, dass eine Zwischenfrage einen Mehrwert gibt.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unter „ordentlich“ stelle ich mir was anderes vor!)

– „Ordentlich“ in seinem Sinne.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Okay, dann ja!)

Ordentlich war in der Tat etwas zynisch pointiert und gehört hier nicht hin. Aber so will ich es auf jeden Fall verstanden wissen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Wärmeentwicklung hat zur Folge, dass man es eine ganze Weile liegen lassen muss. Nach meinem Kenntnisstand stehen bis zu 300 Jahre in Rede. Für die vielen Transmutationsprozesse, die erforderlich wären, um überhaupt in Richtung Energiegewinnung zu gehen, wäre dann noch einmal ein solcher Zeitraum anzusetzen. Damit verbunden müssten eine ganze Reihe Reaktoren und entsprechende technische Vorrichtungen zum einen für den Transport – das wurde schon erwähnt –, aber eben auch für den gesamten Prozess geschaffen werden. Das bedeutet wiederum, dass man massive Investitionen tätigen müsste. Insofern stellt sich die Frage: Wenn wir jetzt schon in der Lage sind, die erneuerbaren Energien – unter Berücksichtigung aller Kosten – günstiger, und zwar um ein Vielfaches günstiger, als Atomenergie herzustellen,

(Karsten Hilse [AfD]: Es geht doch um atomare Reststoffe!)

warum sollen wir dann jetzt noch einmal Milliarden in Forschung und Entwicklung stecken, weitere Risiken und neue Endlagerprodukte schaffen?

(Karsten Hilse [AfD]: Es geht um Verantwortung für die nächsten Generationen!)

Damit würde doch ein völlig falscher Weg beschritten.

(Michael Thews [SPD]: Die AfD verschwendet Geld! Das ist alles!)

Um welche Kosten es sich genau handeln würde, dazu kann man heute noch keine seriöse Aussage treffen. Aber allein die Tatsache, dass der Zeitraum, in dem geforscht werden müsste, länger als 100 Jahren wäre, zeigt doch schon, dass es milliardenschwere Kosten sein müssen. Und innerhalb der Hälfte, wenn nicht sogar in einem Drittel dieser Zeit werden wir doch – wir haben uns das ja schon zum Ziel gesetzt – komplett auf erneuerbare Energien umgestellt haben. Das zeigt die ganze Absurdität dieses Antrags.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Karsten Hilse [AfD]: Wir reden doch nicht von Erzeugung!)

Ein weiterer Punkt ist – auch das haben Sie verschwiegen –, dass der Atommüll bei uns in Deutschland zu großen Teilen verglast wird. Der gesamte verglaste Anteil kommt für diesen technischen Vorgang überhaupt nicht in Betracht.

(Karsten Möring [CDU/CSU]: Ein Drittel!)

Auch der Atommüll, der aus Forschungseinrichtungen stammt, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es bleibt also nur ein kleiner Teil. Alles andere muss ins Endlager. Die Einrichtung eines Endlagers bleibt uns somit nicht erspart. Ein weiterer Punkt – die Zeit rennt mir weg –:

(Karsten Hilse [AfD]: Ihre Zeit rennt weg!) –

Meine Güte, Ihre Zwischenrufe machen es auch nicht besser.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Gut. – Abschließend: Zum Titel Ihres Antrags „Atommüll-Endlager vermeiden – Hochradioaktive Reststoffe verwerten“ möchte ich sagen: Dieser Titel ist einfach eine einzige Lüge.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich habe es schon dargelegt: Es werden keine Endlager vermieden. Es geht auch nicht um eine sinnvolle Verwertung. Das alles ist hochrisikobehaftet und wirtschaftlich völlig absurd. Sie machen Ihrem Ruf, den Sie sich in den letzten Jahren stetig erworben haben, alle Ehre – das ist wiederum zynisch gemeint –, wenn Sie der Bevölkerung mit solchen Anträgen eine Technologie anpreisen und unterjubeln wollen, die ausschließlich Schäden produziert und keinerlei Benefit für das Gemeinwohl bietet. Das ist Ihre Handschrift. Das ist eine destruktive Politik; das ist die Politik der AfD.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Karsten Möring [CDU/CSU])

Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Dr. Kraft das Wort.

Dr. Rainer Kraft (AfD): Vielen Dank für das Wort. – Ich würde gerne ganz kurz auf zwei Dinge eingehen. Erstens. Die Menge der verglasten Abfälle liegt bei etwas über 10 Prozent.

(Karsten Möring [CDU/CSU]: 30!)

Es ist also nicht so, wie Sie es gesagt haben, dass diese Menge groß ist. Zum Zweiten möchte ich auf das Thema der Nichtverbreitung, der Proliferation, eingehen, weil das sehr wichtig ist. Sie sagten ja, dass es sehr gefährlich ist, wenn wir diese Stoffe herausholen, weil sie kernwaffentauglich sind. Die angesprochene Methode der Partitionierung ist eine chemische Methode. Das heißt, die Elemente werden nach chemischer Reinheit und nicht nach Isotopenreinheit sortiert. Das gewonnene Plutonium wäre also eine Mischung sämtlicher Plutoniumisotope. Das in diesen Reststoffen vorhandene Plutonium hat sich zu einem hohen Anteil aufgrund der langen Zeit, die es in Reaktoren und in Castoren verbracht hat, zu Plutonium-240 umgewandelt, was es für kernwaffentechnische Anwendungen unbrauchbar macht. Ich würde Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Technologie, die in diesem Antrag beschrieben ist, in keiner Weise dazu führt, dass Materialien partitioniert und freigesetzt werden, die kernwaffentauglich sind.

(Karsten Möring [CDU/CSU]: Aber der Reaktor, den Sie damit bauen wollen, kann das erzeugen!)

Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben die Möglichkeit zur Erwiderung.

Dr. Nina Scheer (SPD): Das, was Sie darlegen, ist falsch.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was lachen Sie da so dusselig!)

Die Transmutation zielt tatsächlich darauf ab, dass Plutonium entsteht. Es wird auch nicht besser, wenn Sie jetzt meinen, hier als Physiker statt als Politiker auftreten zu müssen.

(Jürgen Braun [AfD]: Mit Naturwissenschaft haben Sie es wohl nicht so!)

Es bleibt dabei, dass das, was Sie uns hier weismachen wollen, eine Verschlimmerung der Risikosituation im Umgang mit atomarem Material bedeutet. Genau deswegen ist es abzulehnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Sie haben Angst! Politologenangst!)

Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestages.