Rede: Erreichung der Klimaziele

Deutscher Bundestag, 104. Sitzung, 6. Juni 2019

ZP 10 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zu dem Antrag der Fraktion der FDP
Klimaziele verantwortungsbewusst erreichen
Drucksachen 19/82119/10031

ZP 11 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 
Wirksames Klimaschutzgesetz vorlegen – Maßnahmen und Regelungen für alle Sektoren
Drucksachen 19/610319/7273

Dr. Nina Scheer (SPD):
Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegenden Anträge können im Grunde genommen große Teile dieses Hauses von der Zielsetzung her, denke ich, unterschreiben. Es gibt eine diesen Zielen abtrünnige Fraktion, die sich an diesem Abend schon in anderer Hinsicht blamiert hat, nämlich mit der falschen Zitierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Aber sei’s drum!

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wir blamieren uns nicht! Wir sagen nur die Wahrheit, Frau Scheer!)

Jetzt geht es um andere Anträge, zum einen um einen Antrag der FDP, zum anderen um einen Antrag der Grünen. Ich möchte hier auf zwei Punkte eingehen, und zwar zum einen auf die CO2-Bepreisung. Diese wird in beiden Anträgen thematisiert und ist zurzeit, wie ich finde, richtigerweise Gegenstand einer breiten Diskussion. Wir müssen uns aber darauf einlassen, dass das eben nicht nur eine Diskussion bleibt und ein Platzhalter ist, um etwas zu vertagen, sondern tatsächlich ein Aufruf und eine Grundlage dafür ist, Maßnahmen in Gang zu setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage das deswegen, weil die Begrifflichkeit der CO2-Bepreisung – ich sage auch immer gerne: Schadstoffbepreisung – noch keine paar Minuten in der Diskussion war, da fing es schon mit bestimmten Differenzierungen an. Die Differenzierung vonseiten der FDP ist, man könne ja auch gleich eine Ausweitung des Emissionshandelssystems vornehmen; so steht es auch in Ihrem Antrag.

(Beifall bei der FDP – Carina Konrad [FDP]: Genau!)

Ich muss dazu sagen, dass dann genau der Punkt erreicht ist, den ich gerade angemahnt habe: Man sollte daraus keine Vertagung stricken.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Um sechs Monate!)

Wenn Sie allen Ernstes behaupten, dass man aus der Idee der Bepreisung einen erweiterten Emissionshandel machen sollte, dann ist doch absehbar, dass es sich um Jahre handeln wird

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Sechs Monate! Sieben!)

und nicht um Monate oder um Wochen. Es wird sich auch nicht um wenige Jahre handeln, sondern um viele Jahre, bis es wirklich greift. Das ist Ihnen bewusst, und trotzdem wählen Sie dieses Instrument. Da muss ich sagen: Das ist typisch für die Initiativen der FDP.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Fake News!)

Es ist nicht zukunftsgewandt, und es ist eben auch nicht verantwortungsbewusst, wie der Titel Ihres Antrages suggeriert.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiteres Ablenkungsmanöver findet sich ebenfalls in Ihrem Antrag, und zwar indem Sie ziemlich stark auf das Instrument des CCS schielen. Auch da muss man sich einfach ehrlich machen.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: So wie der IPCC!)

– Ja, im IPCC steht auch etwas über Atomenergie.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Wissenschaftler!)

Wir müssen auch schauen, was man da herausschneidet und für zukunftsgewandt hält. Es gibt verschiedene Szenarien. Man muss sich nicht denen anschließen, die man hier mit den eigenen Erfahrungen schon verneint hat. Dazu zählt auch das CCS. Wir haben eine geltende Gesetzgebung. Wenn man daran noch mal Hand anlegt, sollte man sehr genau wissen, was sich damit verbindet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man das wirklich herausgreift, dann muss man wissen, dass alle Forschungsgelder, die an Unternehmen fließen, leicht dazu genutzt werden können, die Klimaschädlichkeit der Energiegewinnung unter die große Überschrift „Klimafreundlichkeit“ zu subsumieren. Wenn es mit staatlichen Geldern gefördert wird, dann hat der Staat für die „Säuberung“ dieser Energiegewinnung gesorgt, während die Energiegewinnung selber die gleiche bleibt. Wenn wir die Energiewende ernst nehmen, dann können wir doch nicht allen Ernstes auf eine Technologie setzen, bei der die Energiegewinnungsform gleich bleibt, aber durch die Verpressung des CO2 im Boden der Anschein erweckt wird, dass das etwas Sauberes ist.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Was steht da im Antrag?)

Das ist der falsche Weg. Es ist bezeichnend, dass auch das in Ihrem Antrag enthalten ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe jetzt nicht mehr viel Zeit. Ich wollte aber noch ganz kurz darauf eingehen, dass zur Ehrlichkeit der Debatte in diesen Zeiten auch gehört, nicht immer nur über die Ziele zu reden. Wir müssen auch über die Umsetzung sprechen, und es hakt in der Umsetzung an einigen Stellen.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ein toller Antrag!)

Wir müssen die Erfahrungen, die wir mit den Ausschreibungen in den letzten Jahren gemacht haben, sehr ernst nehmen. Es ist erkennbar, dass es nicht so gefruchtet hat, wie das proklamiert wurde. Wir müssen erkennen, dass es tatsächlich einen Abbau von Arbeitsplätzen gegeben hat, dass es in der Wirkung ein Mengenbegrenzungsinstrument ist, und dringend umsteuern. Insofern begrüße ich, dass die Koalitionsfraktionen –

Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Scheer.

Dr. Nina Scheer (SPD): – in einem Entschließungsantrag das EuGH-Urteil erwähnt haben und gemahnt haben, dass die Einstufung als Nichtbeihilfe durch den EuGH ernst genommen wird.

Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Scheer, ich muss Ihrer Fraktion sonst Redezeit abziehen. Tut mir leid.

Dr. Nina Scheer (SPD): Oh, das geht nicht. – Danke. Tschüs.

(Beifall bei der SPD)

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