Persönliche Erklärung: Zweites Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht

Bild: Benno Kraehahn

Das ‚Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht‘ ist Bestandteil eines umfangreichen Gesetzespakets mit migrationspolitischen Regelungsinhalten. Es wurde als solches verhandelt und bedurfte mit den erreichten Verhandlungsergebnissen eben dieser Zusammenführung, um innerhalb der Koalition zu einer Einigung kommen zu können. Dies ist den unterschiedlichen Zielsetzungen der Koalitionspartner geschuldet: während sich die SPD für ein Fachkräftezuwanderungsgesetz und Regelungen für einen sogenannten Spurwechsel einsetzte, verlangten CDU/CSU Verschärfungen in Sanktionen und Maßnahmen mit abschreckender Wirkung, auch im Zusammenhang mit der Rückführung bzw. Abschiebung von Menschen. Durch die Zusammenführung verschiedener Gesetze verpflichteten sich die Koalitionsfraktionen, kein Gesetz ohne die Zustimmung auch für die weiteren Gesetze zu verabschieden. Mit dem Koalitionsvertrag sind die Fraktionen zudem die Verpflichtung eingegangen, nur gemeinsam abzustimmen bzw. keine wechselnden Mehrheiten zuzulassen. Meines Erachtens kann einer solchen Regelung dann aber nicht gefolgt werden, wenn in Bezug auf einzelne Regelungen noch maßgebliche Klärungs- und Änderungsbedarfe bestehen, zumal wenn sie von verfassungs- oder menschenrechtlicher Bedeutung sind. In Bezug auf das ‚Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht‘ ist dieser Klärungs- und Änderungsbedarf gegeben, zumal die Erkenntnisse aus der Sachverständigenanhörung vom Montag, den 3. Juni für eine Verabschiedung in der gleichen Woche nicht mehr berücksichtigt werden konnten.

Trotz der Notwendigkeit, in einem funktionierenden Asylsystem Menschen ohne Bleiberecht auch wieder zurückzuführen beziehungsweise in Ernstfällen auch abzuschieben zu können, entbindet dies nicht von der Notwendigkeit, bei jeder einzelnen verschärfenden Maßnahme abzuwägen, ob sie jeweilig mit unserem grundgesetzlichen Wertegerüst und völkerrechtlichen Menschenrechten übereinstimmen und dabei auch den Grundsätzen einer stimmigen und zielführende Migrationspolitik entsprechen.

Der SPD ist es im Zuge des parlamentarischen Verfahrens gelungen, den ursprünglich von Bundesinnenminister Horst Seehofer vorgelegten Entwurf in vielen Dingen humaner zu gestalten und hierbei weitergehende Menschenrechtseinbußen abzuwenden.

Dennoch enthalten das ‚Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht‘ und die entsprechenden Änderungsanträge einschneidende Verschärfungen gegenüber dem Status Quo, die ich mit unseren verfassungsgegebenen Werten für nicht vereinbar und zudem auch politisch verfehlt halte.

Zu denen zählt etwa die Verlängerung einer maximalen Aufenthaltsdauer in den sogenannten AnkER-Zentren auf bis zu 18 Monate, eine Verlängerung des Beschäftigungsverbots oder die Verschlechterung in Bezug auf die Ausbildungsduldung, die den Menschen den Weg in Zukunft, Beschäftigung und Erwerb versperrt.

Mit § 60b Abs. 5 des Änderungsantrages zum Aufenthaltsgesetz, der ‚Duldung für Menschen mit ungeklärter Identität‘ wird eine Duldung unterhalb der Duldung geschaffen, die zu Leistungseinschränkungen sowie Arbeits- und Bildungsverboten führt. Die hiermit verbundene Zwangslage, in die damit eine große Zahl von Menschen gebracht wird, widerspricht meinem Selbstverständnis eines humanen Umgangs mit Menschen und widerspricht meines Erachtens damit auch unseren Verfassungswerten.

Dies betrifft auch die Leistungsstreichungen im Asylbewerberleistungsgesetz für in anderen EU-Staaten anerkannte Flüchtlinge. Allen sich in Deutschland aufhaltenden Menschen ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (von 2012) ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten.

Weitere rechtliche Bedenken liegen in der fehlenden Trennung zwischen Abschiebehäftlingen und Strafgefangenen und etwa auch nur erschwert erreichbaren unabhängigen Beratung. 

In einer Gesamtbetrachtung müssen zu verabschiedende Gesetze nach meiner Überzeugung der rechtsstaatlichen Überprüfung ohne begründete Zweifel standhalten. Das ‚Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht‘ vermittelt für die betroffenen Menschen einen Zustand von Rechtsunsicherheit bis hin zu existenzieller Not. Dies ist mit den Geboten der Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar.

Insofern kann ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dem Gesetz zuzustimmen und stimme mit Nein.

Dr. Nina Scheer, MdB
Berlin, 7. Juni 2019

Erklärung nach § 31 GO BT als Pdf