Rede: 2./3. Lesung Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes

42. Sitzung, Berlin 28. Juni 2018

Tagesordnungspunkt 14

– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (16. AtGÄndG)
Drucksache 19/2508

– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (16. AtGÄndG)
Drucksachen 19/2631, 19/2705

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
(16. Ausschuss)
Drucksache 19/3029

– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache 19/3033

 

Dr. Nina Scheer (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung einen Gesetzentwurf, der aufgrund eines sehr unrühmlichen Schrittes der damaligen schwarz-gelben Mehrheit, nämlich Laufzeitverlängerungen zu beschließen, erforderlich geworden ist. Das war im Jahr 2010.

Wie allen bekannt ist, ereignete sich das große Reaktorunglück von Fukushima im Jahr 2011. Infolgedessen wurde diese Laufzeitverlängerung zurückgenommen. Dabei sind Fehler gemacht worden. Genau diese Fehler und die sich anschließenden Klagen, im Besonderen eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, haben dazu geführt, dass wir mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts als Gesetzgeber den Auftrag erhalten haben, eine Neuregelung dieses Atomgesetzes vorzunehmen. Um ebendiese Neuregelung geht es heute.

Wir haben vom Bundesverfassungsgericht eine Frist gesetzt bekommen. Das ist, denke ich, auch zu erwarten gewesen. Diese Frist endet nun leider am 30. Juni dieses Jahres. Es ist mit Blick darauf, dass der Gesetzentwurf erst am 1. Juni eingebracht wurde, eine denkbar kurze Frist. Diese kurzen Fristen sollten nicht weiter Schule machen. Das ist vielleicht auch ein kleiner Appell an unsere Ministerien, die Zeitnot nicht immer an das Parlament weiterzureichen. Es ist nur ein kleiner freundlicher Hinweis. Wir erleben es ja in den letzten Tagen häufig, dass wir die Zeitnot dann hier wiederfinden.

Wir hatten nichtsdestotrotz eine sehr intensive Verhandlungszeit. Man muss sagen, dass dieser Gesetzentwurf, wie er uns nach dem Kabinettsbeschluss vorgelegt wurde, im Grundsatz schon eine wesentliche und richtige Grundentscheidung in sich trägt. Aus den verschiedenen Optionen, die das Bundesverfassungsgericht aufgezeigt hatte, wurden die zu findenden Ausgleiche für die Atomkraftwerksbetreiber so gewählt, dass eben nur ein finanzieller Ausgleich und keine Laufzeitverlängerungen angesetzt werden können.

Man hätte nach den Worten des Bundesverfassungsgerichts in der Tat auch Laufzeitverlängerungen wählen können. Das ist aber unvereinbar mit unserem gesetzlich beschlossenen Atomausstieg und dem Gedanken des Atomausstiegs, die Risiken, die mit dieser Atomenergienutzung verbunden sind, zu begrenzen und möglichst bald auszusteigen und eben auch nicht weiterhin Müll zu erzeugen – mit allem, was daran hängt.

(Beifall bei der SPD)

Insofern ist es konsequent, dass dieser Gesetzentwurf den Weg des Atomausstiegs gewählt hat. Weil ich weiß, dass einige hier im Hause anderer Meinung sind, möchte ich das an dieser Stelle vorweg noch einmal ganz deutlich machen – ich kann hinterher nicht mehr reagieren –: Das ist der richtige Weg. Alles andere, was in Richtung Laufzeitverlängerung geht, ist unverantwortlich.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die parlamentarische Beratung hat aber eben auch ergeben, dass es durchaus noch Veränderungen hätte geben können. Da muss ich für die SPD-Fraktion sagen, dass ich großes Bedauern darüber empfinde, dass wir das in der Koalition nicht vereinbaren konnten. Wir als SPD-Fraktion wollten Änderungen dahin gehend erreichen, Konflikte, die sich in der Zwischenzeit, nach dem Atomausstieg und dem heutigen Tag mit Blick auf die Energiewendeziele ergeben haben, zu begrenzen, indem man die Übertragung von Reststrommengen in sogenannte Netzausbaugebiete unterbindet. Das wäre natürlich entschädigungspflichtig gewesen; das ist uns bewusst. Aber wir haben uns dafür eingesetzt, weil wir auf keinen Fall wollten, dass die gesetzliche Vorrangigkeit der erneuerbaren Energien, die wir in Deutschland und auch europaweit haben, dadurch determiniert wird, dass man auf einmal verstopfte Stromnetze durch Atomstrom hat – auch durch anderes, aber eben auch durch Atomstrom. Deswegen wollten wir da gerne eine Begrenzung. Das ist nicht vereinbar gewesen, was wir bedauern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Schade!)

Zum Zweiten hätten wir es für wichtig und richtig gehalten, Brunsbüttel konsequent nicht mit in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Da hatten wir einen Konflikt. Den konnten wir leider auch nicht bereinigen. Wir wollten an dieser Stelle in Auslegung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf Brunsbüttel im Gesetzestext verzichten. Das wäre nach unserer Ansicht auch mit Blick auf die Fokussierung des Bundesverfassungsgerichts auf den Gleichheitsgrundsatz und damit auch auf die Restlaufzeiten, die da angelegt sind, legitim gewesen. Insofern hätten wir das gerne vorgeschlagen. Es ist leider nicht geglückt, das zu vereinbaren. Ebenso ist es leider nicht geglückt, dahin gehend eine Konkretisierung vorzunehmen, dass die Ausgleichshöhe etwas genauer spezifiziert wird und es tatsächlich nicht der volle Wertersatz sein soll, der dann hinterher auszuzahlen ist. Das ist im Grunde genommen umschrieben, aber wir hätten da gerne mit dem Wording des Bundesverfassungsgerichts eine Konkretisierung vorgenommen.

Ich möchte an dieser Stelle noch ganz kurz erwähnen, dass es nicht hilfreich war, eine Stellungnahme des Bundesrats am Tag der Einbringung dieses Gesetzentwurfs vorzufinden, die zwar einerseits diese Frage bezüglich der Übertragung von Reststrommengen benannte, uns andererseits als Gesetzgeber aber aufgegeben hat, dies doch bitte erst nach Inkrafttreten des Gesetzes anzugehen. Das war nicht hilfreich für das Verfahren; das möchte ich hier einmal erwähnt haben.
Etwas stutzig macht mich auch – das haben wir ja in der Ausschussberatung erfahren müssen –, dass die FDP diesem Gesetz heute offenbar nicht zustimmen möchte. Sie sind Mitverursacher für die Situation, die wir heute haben, und stimmen jetzt nicht zu. Das finde ich keinen guten Zug. – Ich habe noch eine Sekunde und mache jetzt Schluss.

Schönen Abend noch.

(Beifall bei der SPD)

Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestages