Rede: Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes

Dr. Nina Scheer (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sollten noch einmal ganz kurz bei der Frage ansetzen, warum die Regelung, mit der wir uns heute beschäftigen, erforderlich wurde. Es ist in der Tat das heute auch schon benannte Wiedereinstiegsszenario in die Atomenergienutzung mit anschließendem Wiederausstiegsszenario.

Auch wenn der Ausstieg von Frau Skudelny hier heute schon als ein richtiger Weg benannt wurde, habe ich leider aus Ihren Reihen auch vernehmen müssen, dass man nicht so richtig davon überzeugt ist, dass man sich von der Atomenergie verabschieden sollte. Ich möchte das an dieser Stelle nur noch einmal aufgreifen, weil wir da möglicherweise noch Klärungsbedarf haben. Wir sollten das hier im Haus schnellstens klären. Es ist ein Faktum, dass bei der jahrzehntelangen Nutzung der Atomenergie immer sträflich vernachlässigt wurde, die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kosten einzupreisen. Das sage ich auch in Richtung AfD.

(Beifall bei der SPD)

Sie verleugnen einfach die massiven volkswirtschaftlichen Kosten, die durch verschiedenste Studien – zuletzt noch einmal vom FÖS wiederholt – auf 10 Cent extra pro Kilowattstunde beziffert werden. Das heißt: Mit allen externen Kosten, die bei der Stromproduktion mit fossilen und atomaren Energieträgern entstehen, kämen noch einmal 33 Prozent auf den Preis pro Kilowattstunde obendrauf, den wir als Stromkunden ohnehin schon zu zahlen haben. Deshalb ist es einfach falsch, wenn immer wieder behauptet wird, dass Atom- und Kohlestrom bzw. fossile Energieträger insgesamt billiger wären. Es ist einfach falsch, das den Menschen immer wieder zu erklären.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Zurück zu der Frage, die wir heute hier zu klären haben. Es geht in der Tat um die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, was die hier schon benannten Ausgleichsmöglichkeiten angeht. Es ist schon genannt worden: Es geht darum, unter den gegebenen Möglichkeiten eine auszuwählen. Ich denke, es ist richtig, dass mit dem vorliegenden Entwurf die Option gewählt wurde, dass man hier an einen angemessenen finanziellen Ausgleich denkt und nicht eine Laufzeitverlängerung in Betracht zieht. Das ist, glaube ich, auch Konsens, und es ist richtig, dass der Entwurf das so vorsieht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

In der Tat hat der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts die Handschrift dieses Entwurfs bestimmt. Insofern kann man diesem Entwurf nicht ankreiden, dass er darüber Hinausgehendes nicht enthält. Aber wir Parlamentarier können sehr wohl in den jetzt anstehenden Beratungen, auch wenn wir bis zum 30. Juni nur wenig Zeit haben, überlegen, ob man nicht doch Ergänzungen hineinbringen könnte. Die müssen natürlich verfassungsgemäß sein. Es muss verfassungsfest sein. Man muss das in der verbleibenden Zeit prüfen können.

Aber wir müssen auch überlegen, ob wir nicht Zielkonflikte haben. Wir haben nämlich das Bestreben, die erneuerbare Energien auszubauen. Wir haben heute schon sogenannte Netzausbaugebiete, in denen es zur Abregelung von Windenergie kommt, weil unterstellt wird, dass wir zu wenige Netze haben. Man kann das natürlich auch durch mehr Speicher auffangen. Aber de facto haben wir zurzeit diese Reglementierung. Wenn wir zugleich sehenden Auges Reststromübertragungen von Atomstrom in diese sogenannten Netzausbaugebiete/Netzengpassgebiete zulassen, dann lassen wir auch zu, dass dort noch mehr Abregelungen stattfinden könnten und so möglicherweise noch mehr Redispatch-Kosten für die Stromkunden anfallen. Genau an dem Punkt haben wir Prüfungsbedarf und müssen schauen, ob wir die Stromkunden entlasten können,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

indem wir tatsächlich diese Übertragung von Reststrommengen überdenken.

Letzter Punkt – ich bin schon ein paar Sekunden über meiner Redezeit -: Brennelementesteuer. An uns, der SPD-Fraktion, soll es nicht liegen. Es mag jetzt nicht im Koalitionsvertrag stehen, aber an uns soll es nicht liegen, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen, die darin besteht, dass man heute keine Besteuerung von solch schädlichen Stoffen hat. Es wäre ein marktwirtschaftliches Instrument, die anfallenden externen Kosten tatsächlich einzupreisen. An uns soll es nicht liegen. An dieser Stelle mache ich einen Punkt, weil ich über der Zeit bin.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestages