26. Sitzung. Berlin, Donnerstag, 19. April 2018
Tagesordnungspunkt 13
Beratung des Antrags der Abgeordneten Sandra Weeser, Michael Theurer, Reinhard Houben, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Rechtssicherheit im internationalen Investitionsschutz
Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Dr. Nina Scheer (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der FDP ist meines Erachtens von gravierenden Widersprüchen gekennzeichnet; das ist schon angeklungen. Einerseits wird ein dickes Bekenntnis zu Verträgen mit Schiedsklauseln abgegeben. Andererseits begrüßen Sie das Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Multilateralen Investitionsgerichtshof. Das ist, denke ich, ein Widerspruch in sich. Sie halten am Alten fest, wollen aber trotzdem etwas Neues.
Mir scheint es so zu sein, dass nicht richtig durchdrungen wurde, welche Zäsur das Achmea-Urteil des EuGH bedeutet. Ich möchte darauf im Detail eingehen. Herr Heider hat gerade schon einiges dazu gesagt. Ich meine aber, man muss noch ein bisschen tiefer ins Detail gehen. Es ist von der Anwendung und Auslegung die Rede. Dabei geht es dem EuGH in seiner Begründung im Kern darum, dass sowohl in der Anwendung als auch in der Auslegung von EU-Recht – das ist nie auszuschließen, wenn es um Investitionsschutzstreitigkeiten geht – niemand anderes als eine europäische öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit zu entscheiden hat.
Wenn es Investitionsschutz und eine Schiedsgerichtsbarkeit über den Investitionsschutz gibt, man europäisches Recht auch nur streift und hierbei nicht das europäische Gericht als Instanz hat, sondern eben die Schiedsgerichtsbarkeit, so sieht der EuGH hierin eine Unzulässigkeit und einen Verstoß gegen EU-Recht. Deswegen denke ich, das ist sehr wohl übertragbar, und zwar auf sehr viele andere Investitionsschutzverträge und die darin enthaltenen Schiedsklauseln. Das ist öfter der Fall, als wir uns momentan vor Augen führen. Insofern ist auch die Sorge, die Sie, Herr Heider, zum Ausdruck gebracht haben, dass man jetzt alles im Detail überprüfen und wahrscheinlich zu einer Neuordnung kommen muss, schon berechtigt.
Ich möchte kurz etwas zu dieser Neuordnung sagen. Es ist schon angeklungen, dass uns zurzeit das Vattenfall-Urteil beschäftigt. Es weist insofern eine Parallele auf – ich finde, eine sehr anschauliche Parallele –, als auch hier eine Schiedsgerichtsbarkeit vorgesehen ist. Auch hier ist Investitionsschutz vorgesehen. Es ist gekennzeichnet durch Intransparenz. Gut, gegen die Intransparenz kann man möglicherweise etwas tun. Aber es ist eben auch dadurch gekennzeichnet, dass es keine ordentliche Gerichtsbarkeit gibt. Vor allem ist es gekennzeichnet durch unbestimmte Rechtsbegriffe. Das alles sind übrigens Dinge, die die SPD in den letzten Jahren aufgegriffen und über die sie intensiv diskutiert hat. Wir haben in Konventbeschlüssen hinterlegt, dass das definitiv nicht unser Verständnis von Gerichtsbarkeit und Rechtssicherheit und auch nicht unser Verständnis von modernem Handelsrecht und Investitionsschutzrecht ist.
(Beifall bei der SPD)
Insofern war es die SPD, die es geschafft hat, einige Neuerungen in die laufenden Verhandlungen zu bringen und eine Abkehr vom bisherigen System zu erreichen, und zwar in Form des schon erwähnten Multilateralen Investitionsgerichtshofes, den es zu etablieren gilt. Auch da muss man natürlich schauen, inwieweit uns die Aussagen des EuGH im Achmea-Urteil nun zu weiteren Entwicklungen führen. Ich denke, dass wir als SPD in der Tat einen guten Ansatz verfolgen und einen guten ersten Schritt unternommen haben, um dieses System aufzubrechen. Weitere Schritte müssen nun auf Grundlage des Achmea-Urteils folgen. Ich denke, dass man sehr wohl alles auf den Prüfstand stellen muss, was nicht öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit ist. Denn nur durch Letztere kann man dem Anspruch an eine demokratiekonforme Marktwirtschaft gerecht werden und Rechtssicherheit, die ja gewünscht wird, und zwar auch von der FDP, tatsächlich gewährleisten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)