Persönliche Erklärung der Abgeordneten Dr. Nina Scheer zum Abstimmungsverhalten nach § 31 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages über den Antrag der Bundesregierung „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur nachhaltigen Bekämpfung des IS-Terrors und zur umfassenden Stabilisierung Iraks“, Drucksachen 19/1093, 19/1300 am 22. März 2018
Die internationalen Bemühungen im Kampf gegen den IS werden von einer breiten internationalen Koalition getragen, die sich 2014 in Reaktion auf die territoriale Expansion des IS herausgebildet hat und der auch Deutschland angehört. Sie umfasst 71 Staaten sowie Arabische Liga, EU, Interpol und NATO.
Wie bereits die vorangegangenen Entscheidungen zur Erteilung eines Bundeswehrmandats im Kampf gegen den IS, ist auch das heute zur Abstimmung stehende Mandat von dem Bestreben getragen, den Irak zu stabilisieren, die Selbstverteidigung zu stärken und letztlich Menschenleben vor dem Terror des IS-Terroristen zu schützen.
Auch wenn ich dieses Bestreben teile, halte ich es dennoch für unverzichtbar, Maßnahmen zu vermeiden, deren Folgewirkungen das friedenschaffende Ziel ihrerseits erschweren können. Ich erkenne an, dass das Mandat an die Bedingung völkerrechtlicher Voraussetzungen gebunden ist und angesichts der bestehenden Ungewissheiten vor Ort auf längstens 31. Oktober 2018 begrenzt ist.
Zugleich erkenne ich den mit dem Mandat verbundenen Zielkonflikt, auf der einen Seite für eine Stabilisierung des Iraks einzutreten, auf der anderen Seite mit deutscher Beteiligung militärische Fähigkeiten in einer Krisenregion bereitzustellen, die im Rahmen der bestehenden Allianz auch zu einer Verschärfung des Konflikts beitragen können.
So enthält die deutsche Beteiligung auch die Bereitstellung von Aufklärung, die mit Blick auf das NATO-Bündnispartner-Mitglied Türkei eine Verquickung mit der aktuell seitens der Türkei verfolgten Eroberung der syrischen Kurden-Stadt Afrin nahelegt. Letzteres erfolgt in offenkundig völkerrechtswidriger Weise und steht für einen auch humanitär inakzeptablen militärischen Vorgang.
Die Interessengegensätze gegenüber dem Iran können angesichts der mandatsbezogenen Maßnahmen und hiermit begünstigten militärischen Machtkonzentration der genannten Allianz auf irakischem Gebiet zu einer neuen Konfliktdimension führen und einen erneuten Stellvertreterkonflikt zwischen dem NATO-Mitglied USA und Russland (auf iranischer Seite) führen. Angesichts der ohnehin derzeit höchst angespannten Situation, die eine neue Aufrüstungsspirale der genannten Atommächte befürchten lässt, sollte meines Erachtens jede Maßnahme unterbleiben, die auf der militärischen Ebene ein Anstacheln des Konflikts bedeuten könnte. Dies erst recht mit Blick auf die – von Seiten des US-amerikanischen Präsidenten aufgeworfene – Ungewissheit ob eines Fortbestehens des Atomabkommens mit dem Iran.
Militärisch-friedenssichernde Maßnahmen sollten (neben fortwährenden diplomatischen Beziehungen) über UN-Friedensmissionen erfolgen.
Aus Gewissensgründen stimme ich insofern bei der Mandatserteilung mit Nein.
Dr. Nina Scheer, MdB
Berlin, 22. März 2018
Erklärung nach § 31 GO BT als Pdf