Erklärung nach § 31 GO BT der Abgeordneten Dr. Nina Scheer zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes
(BT-Drs. 18/11237)
Heute stimmt der Deutsche Bundestag in namentlicher Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes ab. Die hiermit eingeführte sog. PKW-Maut war auf Drängen der CSU in den Koalitionsvertrag von 2013 aufgenommen worden. Die SPD kritisierte das politische Vorhaben einer solchen PKW-Maut von Beginn an und hatte insofern an ein solches Projekt Bedingungen gestellt. Ich persönlich erachte ferner eine PKW-Maut als nicht hilfreich, die heutigen zentralen politischen Handlungserfordernisse abzubilden. Diese müssen in einer Einbindung auch des Verkehrssektors in den Transformationsprozess der Energiewende liegen – weg von fossilen Treibstoffen und hin zu Erneuerbaren Energien.
Am 27. März 2015 beschloss der Deutsche Bundestag in 2./3. Lesung das Infrastrukturabgabengesetz (PKW-Maut). Damals stimmte ich mit JA, zweifelte aber wie viele Abgeordnete an der Europarechtskonformität des Gesetzes. Allerdings gab Minister Dobrindt damals im Bundestag zu Protokoll: „Sie ist europarechtskonform. Glauben Sie es endlich“.
Am 18. Juni 2015 stoppte Minister Dobrindt allerdings nur sechs Tage nach Inkrafttreten das Gesetz. Fast 18 Monate später, am 1. Dezember 2016, vereinbarte Minister Dobrindt mit der EU-Verkehrskommissarin Frau Bulc umfangreiche Nachbesserungen, um die Europarechtskonformität jetzt im zweiten Anlauf mit einer Gesetzesänderung doch noch herzustellen.
Diese Änderungen am Gesetz von 2015 führen jedoch absehbar dazu, dass die Einnahmen nennenswert sinken (u.a. Verdoppelung von drei auf sechs Vignetten, wobei vier preiswerter als 2015 festgelegt werden sowie zusätzliche Entlastung für schadstoffarme PKW), während die Ausgaben – insbesondere durch den zusätzlichen Kontrollaufwand durch das Personal des BAG – erheblich steigen werden. Mit diesen Konsequenzen hat sich ein Expertengespräch im Haushaltsausschuss am 20. März 2017 mit vier namhaften Sachverständigen beschäftigt.
Fazit: Drei von vier Sachverständigen erklärten zu den kalkulierten Ausgaben sehr begründete Zweifel an einer positiven Einnahmenbilanz und äußerten ferner Zweifel hinsichtlich Nachvollziehbarkeit und Transparenz.
Nur bei einer positiven Einnahmen-Situation wären die mit dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD von 2013 als unabdingbare Vorbedingungen zur Einführung der PKW-Maut erfüllt vollständig erfüllt.
Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen. Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimmten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können. Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den parlamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist.
Der Nachweis über die tatsächliche Einnahmesituation wird noch zu erbringen sein. Vor diesem Hintergrund überwiegt die Aussage des Koalitionsvertrages zur Einführung der PKW-Maut. Trotz der benannten Fragen, die auch die Erfüllung der Bedingungen des Koalitionsvertrages in Zweifel ziehen, stimme ich somit heute dem vorliegenden Gesetzentwurf aus Gründen der Koalitionstreue zu.
Dr. Nina Scheer, MdB
Berlin, 24. März 2017