Das vor gut einem Jahr in Paris beschlossene Klimaschutzabkommen verlangt nach Umsetzung. Unter diesem Motto folgte die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer der gemeinsamen Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung und ihres französischen Pendants, der Fondation Jean Jaurès am Dienstag, den 7. Februar 2017 nach Paris zur Konferenz „Ein Jahr nach dem Klimaabkommen von Paris: Ideen zur kohärenten Umsetzung der Verpflichtungen in Europa“. In dem Eröffnungsvortrag zur Konferenz stellte Scheer, Mitglied des Wirtschafts- und Energie- sowie stellvertretendes Mitglied des Umweltausschusses, ihren Dank an das Gastgeberland Frankreich voran: „Durch großes Verhandlungsgeschick, Ausdauer und umfängliche organisatorische Leistungen ist Frankreich ein historischer Schritt für einen weltweit gelingenden Klimaschutz gelungen“. Dabei überbrachte Scheer auch den wiederholten Dank von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, die kurzfristig verhindert war. Im Weiteren verwies Scheer auf Anforderungen der Auslegung des Abkommens. Die Klimaschutzziele seien nur mit einer baldmöglichsten Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien erreichbar: „Die Industrienationen tragen hierbei die Hauptverantwortung, da sie mit Blick auf Entwicklungs- und Schwellenländer Vorreiterrollen ausüben“, so Scheer. Zudem sei die Energiewende auch für Europa, die europäische Wirtschaft und Gesellschaft, eine herausragende Chance.
Am Nachmittag erläuterte Scheer als Teilnehmerin des Panels zu „’Burden Sharing’ zwischen Mitgliedsländern und die Kohärenz der jeweiligen Länderstrategie“ sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten der Energiewirtschaft im französisch-deutschen Vergleich. Selbst wenn der EU-Binnenmarkt auf eine Vereinheitlichung dränge, sei der Energiemix nach EU-Vertragsrecht Angelegenheit der Mitgliedstaaten. Die Entwicklung zeige, dass diese beiden Bereiche in der Praxis schwer zu trennen seien und immer wieder Kompetenzfragen aufwürfen.
Scheer: „Ein gemeinsamer Markt setzt gemeinsame Anforderungsprofile in Fragen flexibel steuerbarer oder fluktuierender Leistungen voraus. Bei einem Anteil von 77 Prozent Atomstrom in Frankreich gegenüber einem Atomausstieg in Deutschland sowie einem in Deutschland bereits über 30 prozentigen Anteil größtenteils fluktuierender Erneuerbarer Energien sind diesbezügliche gemeinsame Anforderungsprofile eingeschränkt.“ Andererseits könne auch eine Gemeinsamkeit mit Frankreich entstehen, sofern über den Zuwachs Erneuerbarer Energien auch in Deutschland der Stromanteil am Gesamtenergiebedarf steige. Scheer: „Frankreich und Deutschland können und sollten gemeinsam auf die Entwicklung, Produktion und Nutzung sektorübergreifender Technologien setzen. Für den Verkehrssektor liegt in der Elektromobilität, insbesondere unter Einbeziehung von Wasserstoff, großes Potenzial.“ Zwar hoffe Scheer, dass auch Frankreich den Atomstromanteil durch Erneuerbare Energien ersetze. „Die Entwicklung und der Einsatz von Technologien zum Ersatz von heute mit fossilen Brennstoffen genutzten Antrieben kann und sollte aber schon jetzt beginnen. Der Klimaschutz und die Entwicklung klimagerechter Technologien für den Massenmarkt erlauben uns keinen Aufschub und ermöglichen mit Blick auf hierbei entstehende Arbeitsplätze letztlich auch einen produktiven und zukunftsorientierten Ausstieg aus der fossil-atomaren Energiewirtschaft“, so Scheer.
Von französischer Seite wurde auf die Fortschritte Frankreichs im Umgang mit CO2 hingewiesen. Einigkeit bestand darin, dass vom Emissionshandel keine hinreichende Lenkungswirkung ausgeht. Die Ausführungen Scheers zur Entwicklung von alternativen oder ergänzenden Bepreisungssystemen fanden insbesondere unter den Besucherinnen und Besuchern Zuspruch. Scheer: „Mit dem Instrument einer Schadstoffbepreisung könnte ein fairer Wettbewerb hergestellt werden. So wären dann auch Uran und Radioaktivität einzupreisen.“
Das Schlusswort hielt Ségolène Royal, Ministerin für Umwelt, Energie und Meer. Sie ging dabei auf Fortschritte bei gemeinsamen Projekten und Vorhaben Frankreichs und Deutschlands ein, sowohl zur technologischen Entwicklung als etwa auch hinsichtlich der Stilllegung des Atomkraftswerks Fessenheim. Das auf französischer Seite am Rhein an der Grenze zu Baden-Württemberg stehende AKW stufte ein Gutachten als „sicherheitstechnisch unzureichende Anlage“ ein. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Reaktorsicherheit, hatte wiederholt auf eine Stilllegung des Kraftwerks gedrungen.
Fotograf: Mathieu Delmestre