Anlässlich des heutigen Urteils zu den Verfassungsbeschwerden dreier Atomkonzerne gegen die Beschleunigung des Atomausstieg vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erklärt die schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und Berichterstatterin für Atompolitik in der SPD-Bundestagsfraktion:
„Mit dem heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird die Unverantwortlichkeit der von Schwarz-Gelb und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu verantwortenden Laufzeitverlängerung aus dem Jahr 2010 offenbar. Selbst wenn die Ausstiegsnovelle nach Fukushima im Wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat Angela Merkel durch die vorherige Laufzeitverlängerung neben der damaligen Inkaufnahme von mehr Restrisiken nun auch eine Kompensationsleistung zulasten der Allgemeinheit zu verantworten.“
Als wegweisend bezeichnet Scheer die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Gesetzgeber mit dem Atomausstieg aufgrund des Restrisikos der Atomenergienutzung für Leben und Gesundheit sowie natürliche Lebensgrundlagen ein legitimes Regelungsziel verfolge. Insofern hätten die Atomkonzerne eine deutliche Niederlage erlitten, so Scheer. Statt rund 20 Milliarden Euro bestehe nun lediglich in Bezug auf Reststrommengen der Kraftwerke Mülheim-Kärlich und Krümmel sowie Investitionen zwischen Dezember 2010 und März 2011, die im Vertrauen auf eine Laufzeitverlängerung getätigt wurden, eine verfassungsgerichtlich zugebilligte Ausgleichspflicht. Diese bilde allenfalls einen Bruchteil des angesetzten Streitwertes ab.
Scheer: „Für die Umsetzung des Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung der kerntechnischen Entsorgung bedeutet die heutige Entscheidung nun erst recht, dass die Konzerne alle weiteren anhängigen Klagen zurücknehmen und einen Klageverzicht erklären müssen. Es kann nicht sein, dass der Staat während und trotz laufender Verhandlungen sowie Ausgestaltung künftiger Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit Atomenergiefolgelasten durch deren Verursacher verklagt wird. Wenn der Staat den Atomkonzernen die Hand reicht, die Lastenverteilung im Interesse der Allgemeinheit und zukünftiger Generation zu organisieren, weil die Atomkonzerne offenkundig nicht für alle Zeiten in der Lage sein werden, sie eigenständig zu tragen, müssen Klagen gegen den Staat umfassend und abschließend ausgeschlossen werden.“
Dies betreffe auch die schiedsgerichtlich verfolgten Klagen. „Indem das Bundesverfassungsgericht auch in Bezug auf Vattenfall und damit einen ausländischen Rechteinhaber, verfassungsrechtlichen Rechtsschutz zubilligt, wird ein schiedsgerichtlich verfolgtes Rechtsschutzinteresse obsolet. Die Anhängigkeit von Schiedsverfahren verdeutlicht auch in diesem Zusammenhang, dass Rechtsstaaten keinen vertraglichen Investitionsschutz eingehen sollten“, so Scheer.