Rede zu CETA der SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Nina Scheer im Plenum des Deutschen Bundestages am 22. September 2016 zur Stellungnahme der Fraktionen CDU/CSU und SPD gegenüber der Bundesregierung das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA betreffend und Anträgen der Opposition:
„Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
In den letzten Jahren haben wir vermehrt über Freihandel diskutiert, und wir haben dabei erkannt, dass es eine Kehrtwende geben muss: dass das Primat der Deregulierung keine Antwort auf die Herausforderungen des Welthandels sein kann und dass der Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen für sich genommen nicht gemeinwohlfördernd ist. Es braucht also immer ein Korrektiv, weil sonst der freie Markt eben nicht die Gemeinwohlverpflichtung erfüllt.
Unter diesen Vorzeichen stehen die Diskussionen um TTIP und CETA. TTIP hat die Diskussion nicht überlebt; die Verhandlungen über CETA waren schon sehr weit fortgeschritten. Aber wir haben gesehen, dass die Erwartungshaltung der Bevölkerung über die letzten Monate zunehmend stärker wurde, einen gesunden Ausgleich zwischen dem Interesse einer globalisierten Welt, die auf Handel und Investitionen angewiesen ist, und den Gemeinwohlinteressen herzustellen.
Die Diskussionen um die Freihandelsabkommen gerade in Bezug auf TTIP und CETA haben aber auch gezeigt – damit möchte ich auch noch einmal an das Referendum der Briten erinnern -, dass wir dringend eine Stärkung der repräsentativen Demokratie und der Parlamente brauchen.
Die Fortentwicklung von Freihandels- zu Handelsverträgen, zu Fairhandel statt Freihandel ist auch auf strukturelle Änderungen angewiesen. Bei CETA wurde dies bereits während der Rechtsförmlichkeitsprüfung exerziert. Mit dem Diskurs in unserer Partei und den breiten Forderungen aus der Zivilgesellschaft gab es bereits elementare Veränderungen, obwohl dies am Anfang immer als ausgeschlossen galt. Strukturelle Änderungen sind also möglich, wenn wir den demokratischen Diskurs ernst nehmen.
Insofern möchte ich kurz auf den Konventbeschluss meiner Partei eingehen. Mit dem Konventbeschluss der SPD vom Montag dieser Woche hat meine Partei eine Bewertung und Analyse von CETA in der heutigen Form vorgenommen. Der Beschluss erklärt klipp und klar, an welcher Stelle noch Handlungsbedarf gesehen wird, um CETA fair auszugestalten und zukunftsfähig zu machen. Das war die Arbeit der SPD, es war die Arbeit einer Partei. Parteien sind fester Bestandteil unserer Verfassung und unserer Demokratie. Das müssen wir ernst nehmen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Der Konventbeschluss setzt auf eine interessengerechte Einordnung des Investitionsschutzes. Er verlangt die Wahrung des Vorsorgeprinzips. Das ist auch eine Erwartung in der Stellungnahme der Regierungsfraktionen. Der Konventbeschluss setzt sich kritisch mit dem Negativlistenansatz auseinander, der zu keiner unkontrollierten Liberalisierung führen darf. Weitere Punkte werden auch noch genannt.
Mitnichten ist der Konventbeschluss vom Montag eine Zustimmung zu CETA in der heutigen Form. In diesem Lichte steht übrigens auch, sehr geehrter Herr Fuchs – Herr Fuchs ist nicht mehr da -, unser gemeinsamer Antrag. Es stimmt nicht, dass heute eine Zustimmung erfolgen würde, und es stimmt auch nicht, dass dies ohne Wenn und Aber erfolgen würde. Das ist einfach keine korrekte Darstellung der heutigen Situation.
Vor uns liegen Schritte, die für CETA formal erst einmal nicht vorgesehen waren, die es im bevorstehenden Prozess erst noch zu entwickeln gilt. Aber eben das ist doch die Veränderung, die wir auch für Europa brauchen, insbesondere bei solch umfassenden Abkommen mit solch weitreichenden Konsequenzen.
Wir mussten erkennen, dass die EU-Kommission allein nicht zu ratifizierungsfähigen Abkommen und Einigungen kam; auch das ist eine Erkenntnis aus diesem Prozess. Ebendiesen Prozess, die Stimme der Parlamente zu stärken, müssen wir in Europa und für Europa aktiv einfordern. Von alleine passiert das nicht. Strukturell gesehen muss ich sagen: Hier ist der Weg das Ziel.
Ich komme zum Schluss. Wir sollten jede Gestaltungsoption, sowohl über rechtsverbindliche Vereinbarungen als auch im anschließenden parlamentarischen Ratifikationsprozess, nutzen, um CETA an die heutigen handelspolitischen Aufgaben anzupassen, insbesondere in Orientierung an den UN-Nachhaltigkeitszielen und den Klimaschutzvereinbarungen von Paris. Übrigens: Heute ratifizieren wir diese hier im Deutschen Bundestag.
Vielen Dank.“
Link zur persönlichen Erklärung nach §31 GO BT
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