Persönliche Erklärung zur Abstimmung: EEG 2017

Erklärung nach §31 GO BT der Abgeordneten Dr. Nina Scheer zum TOP 33: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016)

Im Parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wertvolle Veränderungen durchzusetzen. So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen zur Wahrung von Akteursvielfalt die Möglichkeit der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt. So kann Teilhabe an der Energiewende auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften zehn Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden. Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt. Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesellschaften zudem keine Bundesimmissionsschutz-Genehmigung vorlegen. Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart. Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot (Bonus für Bürgerenergie), womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird.

Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden. Strommengen aus Erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungsformen, etwa Speicher, verwendet werden können. Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für sogenannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entstehen.

Für Wind Onshore konnte gegenüber dem Koalitionspartner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt. Der Koalitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchsetzen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte.

Für Wind Offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibehalten werden. In den nun vorgenommenen, sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen, liegen allerdings auch Hemmnisse.

Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem Parlamentarischen Verfahren eine Teilnahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen. Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive. Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre. Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben.

Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstellung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Mengensteuerung eingeführt. Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsverfahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann. Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt. Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibungen erreicht werden, können sich hierüber und über Monopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden. Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde darstellen. So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilotverfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteuren teil, allerdings in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems.

In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbaukorridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte, nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen. Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors. Auch das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 % bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag steht in Frage. Alle fünf hiernach im Rahmen der Öffentlichen Anhörung am 4. Juli 2016 befragten Sachverständigen verneinten, dass die Energiewende- und Klimaschutzziele mit der aktuellen EEG-Novelle zu erreichen seien.

Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien. Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Dies bedeutet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr Erneuerbare Energien angewiesen sind. Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2017 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze. Das EEG 2017 darf nicht zu einer Innovationsbremse werden.

Insofern müssen die mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungen regelmäßig auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. Bereits der Koalitionsvertrag sieht an sich vor, „(…) dass vor der Einführung von Ausschreibungen in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Weg kostengünstiger erreicht werden können“. Eine dahingehende Evaluation, die auch die Realisierung der Projekte und nicht nur die Gebotsverfahren berücksichtigt, hat im Vorfeld der EEG-Novelle nicht stattgefunden. Nach der EU-Beihilfeleitlinie wären über die sogenannte De-Minimis-Regelung weitreichende Ausnahmen von Ausschreibungen möglich. Diese Möglichkeiten zur Wahrung von Akteursvielfalt und um die Praktikabilität von Ausschreibungen zunächst zu überprüfen, blieben ungenutzt.

Mit Hilfe Erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen.

Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit verfügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie. Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken. Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen. Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris unterstrichen.

Das für die Erfolge der Energiewende bislang maßgebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlungswirkung. Allein in Deutschland entstanden dabei weit über 400.000 Arbeitsplätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-Novellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind.

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instruments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wärme- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2017 erste Anknüpfungspunkte bietet.

In einer Gesamtabwägung komme ich mit Blick auf die genannten energiewendebeschränkenden Auswirkungen der EEG-Novelle trotz meiner intensiven und auch erfolgreichen Bemühungen, in wichtigen Fragen zielführende Veränderungen herbeigeführt zu haben – etwa die Sektorkopplung und die Akteursvielfalt betreffend – zu dem Schluss, mit nein zu stimmen.

Dr. Nina Scheer, MdB
Berlin, 08. Juli 2016

 

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