Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist ganz selbstverständlich, dass der Prozess des Entstehens des Vertrags nicht so ausgestaltet werden kann, dass elementare Prozessschritte wie zum Beispiel die Ratifikation von Verträgen hinterher untergraben sind. Insofern ist es selbstredend, dass ein Prozess, bei dem aus einer vorläufigen Anwendung ein faktisches Untergraben des Ratifikationsprozesses folgt, von uns nicht mitgetragen wird.
Jetzt stellt sich die Frage, welche Schlussfolgerung wir zum jetzigen Zeitpunkt daraus ziehen. Dirk Wiese hat schon zu Recht darauf hingewiesen, dass wir im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit auch auf Drängen unseres Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel in den letzten Monaten bereits maßgebliche Änderungen erreicht haben – und das, obwohl das noch kurz vorher für die Opposition, aber auch für Teile aus unseren Reihen allein vom formalen Ablauf her undenkbar erschien. Man hat gesagt: Nein, das ist ausverhandelt, wir befinden uns nur schon in der Rechtsförmlichkeitsprüfung, das geht formal eigentlich gar nicht, und die anderen verlassen sich ja auch auf diesen Prozess. Bei genauerem Hinschauen hat man aber gesehen: Das ist nicht vertretbar, man kommt so nicht weiter, so ein Vertragsergebnis wird hinterher nicht abstimmungsfähig sein.
Also musste man sich diesen Dingen natürlich widmen. Deswegen ist auch die Auseinandersetzung mit genau diesen Punkten, die wir für nicht praktizierbar halten, notwendig. Hier ist die Schiedsgerichtsbarkeit ein Element, aber nicht das einzige.
Genau in diesem Prozess befinden wir uns gerade. Frau Dröge, Sie haben auch erwähnt, inwiefern dieser Prozess und die Auseinandersetzung darüber hier im Parlament, um diese Dinge zu klären, wichtig sind. Ich denke, gerade mit Blick auf die sehr differenzierten und sehr unterschiedlichen Positionen alleine in meiner Fraktion und beim Koalitionspartner, ist zu erkennen, dass wir hier noch große Klärungsbedarfe haben.
Ich möchte jetzt auch noch einmal an der Frage ansetzen, was wir von Freihandelsabkommen überhaupt erwarten.
Wenn gesagt oder einfach unterstellt wird – das ist ja gerade schon aufgegriffen worden -, wir würden dem Wissenschaftsansatz folgen und damit das Vorsorgeprinzip quasi über Bord werfen, dann muss ich sagen: Nein, dann haben wir keine Grundlage, um zu einer Einigung zu kommen. Das gilt genauso, wenn unterstellt wird, wir wollten, dass Freihandel im Grunde genommen mit dem freien Markt gleichzusetzen ist. Nein, wir sind eigentlich schon einen Schritt weiter. Wir haben doch in den letzten Monaten erfahren, dass es sich zuspitzt. Der Kristallisationspunkt liegt genau darin, dass wir einerseits zwar Handel wollen und in der globalisierten Welt auch Handel brauchen – als Exportnation wäre das auch schwer anders vorstellbar -, andererseits aber auch Regeln benötigen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Die Vereinbarungen auf Ebene der UN vom letzten September – die UN-Nachhaltigkeitsziele – haben auch gezeigt, dass wir noch einen großen Bedarf haben, uns gemeinsame Regeln zu geben.
Ich finde, unser Hauptklärungsbedarf besteht darin, dass wir noch einmal herausarbeiten müssen, inwiefern die Verhandlungsmandate und die Prozesse, die in den letzten Jahren daraus entstanden sind, tatsächlich mit den teilweise sehr alten Verhandlungsaufträgen, die zurzeit noch „in der Mache“ sind, und dem gewachsenen Wunsch nach einer gerechteren Welt und fairen Handelsbedingungen kompatibel sind. Wir befinden uns im besten Prozess, um genau dieses zu klären. Insofern finde ich es verfehlt, jetzt das Augenmerk auf die vorläufige Anwendung zu richten, zu einem Zeitpunkt, an dem wir noch gar nicht wissen, was hinterher bestenfalls überhaupt vorläufig angewendet werden kann.
Ich habe nur noch wenige Sekunden Redezeit und komme zum Schluss: Herr Pfeiffer, Sie haben sich hier bemüht, ein paar Mittelständler zu zitieren, die sich das so vorstellen, wie Sie sich das vorstellen. Ich fange erst gar nicht damit an, die Mittelständler zu nennen, die große Vorbehalte haben und die gerne fairen Handel wollen statt den Freihandel, den Sie wollen.
(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Die würden mich interessieren!)
Ich glaube, wenn ich die alle aufzählen würde, dann würden wir noch über Pfingsten hier sitzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)