Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion, die wir seit vielen Monaten, bald schon Jahren, jedenfalls seit dieser Legislaturperiode, hier im Deutschen Bundestag über die Freihandelsabkommen führen, hat eines bewiesen: Es ist wichtig, diese Diskussion zu führen. Insofern möchte ich gleich zu Beginn sagen: Eine sofortige Ablehnung von Verhandlungsprozessen kann uns die Chance nehmen, über die Inhalte zu diskutieren. Wann, wenn nicht im Rahmen solcher Abkommen, können wir über die Dinge diskutieren, die möglicherweise tatsächlich hinterher nicht funktionieren? Das sollte nicht vorweggenommen werden. Wir sind in einem Prozess der Klärung.
Gerade die letzten Äußerungen meines Kollegen Heider zeigen, dass etwa bei der Frage der Schiedsgerichtsbarkeit sehr wohl noch großer Klärungsbedarf besteht.
(Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die sehen das aber nicht so!)
Er ist jetzt gerade nicht ansprechbar.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind immer ansprechbar!)
Zu dem Argument, dass das eine Selbstverständlichkeit sei, weil Schiedsgerichte auch in Parteistatuten enthalten seien, muss ich sagen: Wenn Sie diese so essenzielle Frage derart auf die leichte Schulter nehmen, kann ich da nicht mitgehen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Schiedsgerichtsbarkeit ist zu Recht ein politisch hart diskutierter Punkt. Aus gutem Grund hat sich Sigmar Gabriel für eine Reform des Schiedsgerichtswesens eingesetzt. Aber auch da müssen wir natürlich genau schauen: Was wird mit dieser Reform zu erreichen sein? Inwieweit werden die kritischen Punkte, die wir sehen, tatsächlich aufgegriffen? Natürlich sind wir – das ist zum Beispiel auch im Beschluss des SPD-Konvents enthalten – nicht damit einverstanden, dass Staaten über Schiedsgerichtsverfahren und Urteile quasi erpresst werden können. Das ist ganz klar. Lieber Herr Heider, da hinkt der Vergleich zur Schiedsgerichtsbarkeit in Parteistatuten. Hier kann kein Staat auf Schadensersatz verklagt werden.
(Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Da geht es um Rechtsfrieden, Frau Scheer!)
Ich bitte, mit diesen Fragen ernsthaft umzugehen.
(Beifall des Abg. Klaus Ernst (DIE LINKE))
Die Diskussion zeigt, dass es erforderlich und auch hilfreich ist, einen stetigen Abgleich vorzunehmen. Genau dafür sind diese Diskussionsprozesse wichtig. Das zeigt uns auch die Mobilisierung auf den Straßen. Die große Demonstration wurde schon oft erwähnt. Daran haben viele Menschen teilgenommen. Ich finde, wir wiederum sollten spiegeln und ernst nehmen, was dort stattgefunden hat. Hier wird von der Öffentlichkeit ein Abgleich eingefordert zwischen dem, was verhandelt wird, und dem, was heutzutage in der Erwartungshaltung der Öffentlichkeit noch mehrheitsfähig wäre. Diesen Prozess müssen wir auch im Interesse einer funktionierenden Demokratie wahrnehmen. Ich glaube, genau darin liegt der Wert, zum jetzigen Zeitpunkt auf jeden Fall an diesem Verhandlungsprozess festzuhalten.
Es offenbart sich eine Mobilisierungsfähigkeit der Öffentlichkeit, eine demokratische Mitwirkung der Öffentlichkeit, die aufgegriffen und respektiert werden muss. Das ist nicht einfach nur ein schlichtes Nein. Unter den Forderungen der Demonstranten befinden sich sehr wohl welche, die auf die Inhalte solcher Abkommen zielen. Es stellt sich die Frage, ob man Freihandelsabkommen möglicherweise zu Handelsabkommen werden lassen könnte. Dies halte ich nicht für ein schlechtes Ziel. Wenn wir, etwa mit dem neuen UN-Nachhaltigkeitszielen, faire Bedingungen und Sozial- und Umweltstandards einfordern, dann müssen wir natürlich auch schauen: Wo bleiben sie in unserer realen Politik? Dann müssen wir uns natürlich auch fragen lassen, wie weit eine Deregulierungsverpflichtung diesen Zielen tatsächlich entspricht.
(Beifall des Abg. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Solange dieser Prozess, in dessen Rahmen Abkommen verhandelt werden, andauert, müssen wir uns diese Fragen stellen und einen Abgleich zwischen Anspruch und Wirklichkeit vornehmen.
Ich möchte kurz wiederholen – meine Redezeit ist gleich zu Ende -: Es ist wichtig – auch Dirk Wiese hat darauf hingewiesen -, den Verhandlungsprozess ernst zu nehmen, ihn politisch zu nutzen und unsere Aufgabe als politische Ebene in diesem Kontext wahrzunehmen.
Noch ein letzter Aspekt, dessen Bedeutung mir in den letzten Monaten immer mehr aufgefallen ist – gestern haben wir auch mit Frau Malmström darüber diskutiert -: Unsere Forderung ist ja, dass Welthandelsbestimmungen Umweltschutz und Sozialstandards flankieren müssen. Es kann natürlich passieren, dass aus diesem Konglomerat an Außenhandelsbestimmungen eine Quasi-Weltwirtschaftsordnung wird. Hier appelliere ich an uns alle, zu kontrollieren, ob es tatsächlich in unserem Sinne ist, darüber eine bilaterale Weltwirtschaftsordnung zu etablieren. Ich persönlich setze hier ein großes Fragezeichen. Ich wünsche mir, dass dieser Diskussionsprozess dazu genutzt wird, genau diese Fragen zu stellen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)