Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Wir diskutieren heute über zwei Anträge der Oppositionsfraktionen und stimmen auch darüber ab. In den Anträgen geht es um die Folgelasten der Nutzung von Atomenergie. Uns liegt ein Antrag der Linken mit dem Titel „Bad Bank-Pläne der Atomkonzerne zurückweisen – Rückstellungen der AKW-Betreiber in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführen“ und ein Antrag der Grünen mit dem Titel „Keine Bad Bank für Atom – Rückstellungen der Atomwirtschaft in öffentlich-rechtlichem Fonds sicherstellen“ vor.
Ich möchte vor allem erst einmal darauf hinweisen, dass wir schon eine sehr lange Zeit über dieses Thema sprechen und wir es allesamt verschlafen haben, während der Jahrzehnte, in denen wir die Atomenergie genutzt haben, mitzudenken, was wir mit den Folgelasten der Atomenergienutzung anstellen.
(Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir nicht!)
Die gesamte Gesellschaft war nicht in der Lage dazu, vom Beginn der Nutzung der Atomenergie an hierfür Sorge zu tragen. Das bestätigt sich etwa darin, dass nach Berechnungen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft allein von 1970 bis 2014 umgerechnet 219 Milliarden Euro an Subventionen geleistet wurden. Das FÖS hat ebenfalls ausgerechnet, dass in Rückbau und Endlagerung 30 bis 70 Milliarden Euro fließen werden. Allein diese Spanne von 30 bis 70 Milliarden Euro verdeutlicht vor allem eines: Es ist absolut unabsehbar, wie viel Last in ökonomischer Hinsicht da wirklich auf uns zukommt.
Wir wissen, dass es bei Großprojekten, die ja für sich genommen Schritte und Maßnahmen umfassen, die wir alle beherrschen, zu Kostenexplosionen kommen kann – ich nenne nur den Berliner Flughafen; es wurde in Deutschland ja bisher nicht nur ein Flughafen gebaut -, die wir kaum zu beherrschen wissen.
(Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Tja, in Berlin regiert eben die SPD!)
Da kann man sich, denke ich, ausmalen, welche Anforderungen beim Umgang mit höchst gefährlichem Material an uns alle gestellt werden. Bis heute gibt es weltweit keine Endlagermöglichkeiten, etwa für den Müll. Insofern finde ich es bezeichnend, aber auch zutreffend, was ich im Handelsblatt – es ist gut, dass es inzwischen auch dort solche Stimmen gibt – gelesen habe. Ich möchte das Handelsblatt zitieren:
Atomkraft? Nie wieder!
Zu riskant, zu teuer: Die Geschichte der Kernenergie in Deutschland ist ein einzigartiges Fiasko – zumal jetzt auch noch die Bürger für die finanziellen Folgen geradestehen sollen. Deutschland hätte sich auf dieses Abenteuer nie einlassen dürfen, das am Ende mehrere Hundert Milliarden Euro kosten könnte.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Solche Stimmen nun breit in der Gesellschaft und auch in den Medien zu vernehmen, ist wichtig; das führt uns auch die Brisanz der hiermit aufgeworfenen Fragen vor Augen.
Wenn man sich überlegt, wer dafür die Verantwortung zu übernehmen hat, dann ist an allererster Stelle das Verursacherprinzip zu nennen, das in unserer Rechtsordnung ganz klar verankert ist. Damit sind natürlich die AKW-Betreiber und die Konzerne, zu denen die AKW-Betreiber gehören, angesprochen, und zwar was die Stilllegung, den Rückbau, aber auch die Endlagerung betrifft.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert (SPD))
Sie müssen grundsätzlich für alle Folgen aufkommen.
Wenn man sich vergegenwärtigt, was ich zu Anfang gesagt habe – welche immensen, unabsehbaren Kosten auf uns zukommen können -, folgt daraus natürlich auch, dass man eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung hat, Sorge zu tragen, dass dafür Vermögen vorhanden ist bzw. dass man dem tatsächlich gerecht wird, wenn diese Pflichten zu erfüllen sind. Wir merken, dass es eine hochgradige gesellschaftliche Abhängigkeit von der Zahlungsfähigkeit der Konzerne gibt – ich denke, in einem Ausmaß, das wir noch nie hatten und das, wie ich bereits sagte, nicht eindeutig zu beziffern ist.
Hier müssen wir eine gesellschaftlich-politische Verantwortung übernehmen. Es ist richtig, dass dieses Anliegen auch in den Anträgen der Oppositionsfraktionen zum Ausdruck kommt. Aber genauso wichtig ist, hier zu erwähnen, dass auch vonseiten der Regierungskoalition bzw. des Wirtschaftsministeriums entsprechende Schritte unternommen werden, und das nicht erst als Reaktion auf die Oppositionsanträge.
So möchte ich nennen: Zunächst ist vom Wirtschaftsministerium ein Stresstestgutachten in Auftrag gegeben worden. Es ist ein Gesetzentwurf zur Konzernnachhaftung in Planung, der auch gleich zu Veränderungen der Aufspaltungspläne bei Eon geführt hat. Jetzt ist die Einsetzung einer Kommission in Planung, die den Umgang mit den Konzernen regeln und klären soll, wie man sowohl die Mittel aus den steuerfreien Rückstellungen als auch die Mittel in Bezug auf die weitergehenden Haftungen, die nach dem Verursacherprinzip gegeben sind, sicherstellen kann.
In den nächsten Wochen wird sich diese Kommission zusammensetzen. In den nächsten Wochen wird auch die Konzernnachhaftung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens parlamentarisch behandelt werden. Trotz der aktuellen dramatischen Situation – so möchte ich sie nennen – möchte ich den optimistischen Ausblick wagen, dass in den nächsten Monaten weitere ernsthafte Schritte in Richtung einer – ja, wie soll man es in den letzten drei Sekunden mit den besten Worten ausdrücken? – Haftungsübernahme unternommen werden und dass wir es auf jeden Fall hinbekommen, die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten und einen rechtssicheren Rahmen zu schaffen.
An dieser Stelle bleibt mir nur, zu sagen: Die vorliegenden Anträge kann man angesichts der geplanten Vorhaben, die ich genannt habe, nur ablehnen, auch wenn ich anerkenne, dass die Anliegen, die in diesen Anträgen formuliert sind, natürlich durchaus richtig und lobenswert sind.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)