Scheer zur Abstimmung über das Griechenland-Hilfsprogramm

Erklärung nach §31 GO der Abgeordneten Dr. Nina Scheer zur namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Drucksache 18/5780 am 19. August 2015

Den Griechenland-Hilfen stimme ich zu, da eine Ablehnung für Griechenland eine humanitäre Katastrophe zur Folge hätte und damit auch für Europa dauerhaft schädlich wäre. Ich halte allerdings wesentliche Teile des Hilfsprogramms für verfehlt: Wenn einem notleidenden Staat durch Privatisierungsverpflichtungen Einnahmemöglichkeiten genommen werden, ist das kontraproduktiv.

So halte ich etwa die Liberalisierung des Stromnetzbetreibers ADMIE, die als bevorzugte Variante im „Memorandum of Understanding“ hervorgehoben wird, für falsch. Die zugleich als mögliche Alternative vorgesehene Eigentumsentflechtung zwischen Netz und Stromerzeugung, bei der die Stromnetze aber in öffentlicher Hand bleiben, ist unter den zeitlichen Vorgaben – in diesem Fall der Privatisierung des Stromnetzes bis Oktober 2015 – nicht zu realisieren und somit für Griechenland kein reeller Handlungsspielraum. Mit dieser faktischen Privatisierungsvorgabe für das Stromnetz bleiben wichtige Fragen außer Acht: Welche privaten Akteure werden bei welchen Rendite-Vorgaben in das griechische Stromnetz investieren, um es für die Zukunft fit zu machen? Ist Privatisierung mit Blick auf die Langfristigkeit von Netz-Investitionen nicht die volkswirtschaftlich teurere Option?

Im Zuge des notwendigen Energiewende-Umbaus des Stromversorgungssystems haben sich in den letzten Jahren in Europa insbesondere die Übertragungsnetzbetreiber aus Dänemark (Energinet.dk), Irland (EirGrid), Norwegen (Statnett), Niederlande (TenneT) und auch Schweden (Svenska Kraftnät) bezogen auf die jeweils inländischen Entwicklungen als starke und zugleich voranschreitende Player erwiesen. Alle diese Netzbetreiber sind zu 100 % im Staatsbesitz.

Griechenland braucht neben dem Aufbau einer soliden Verwaltungsstruktur Schuldenerleichterungen und Konjunkturprogramme. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Griechenland seine Schulden dauerhaft nicht tragen kann. Anders als die vorangegangenen Griechenland-Hilfsprogramme enthält das jetzige Programm richtige Ansätze, etwa zum Aufbau einer Sozialversicherung. Zugleich dürfen zeitliche Vorgaben nicht bedeuten, dass entsprechende Maßnahmen nicht wahrgenommen werden.

Zur weiteren inhaltlichen Positionierung verweise ich auf meine persönliche Erklärung vom 17. Juli 2015. (Vgl.: https://www.nina-scheer.de/images/PDF/2015-07-17-Erklrung%2031%20GO%20-%20Griechenland-Nina.pdf )

Dr. Nina Scheer, MdB
Berlin, vom 19. August 2015

 

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