Nina Scheer zur europäischen Verankerung der Energiewende, 13. März 2014

Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Die Energiewende ist eine grenzüberschreitende Aufgabe. Insofern ist das Thema des Grünen-Antrags, die „Die Energiewende europäisch verankern“ richtig und wichtig. Bei der Frage, wie sich dies in und für Europa vollzieht, sollte auch mit einbezogen werden, welche Mechanismen in der Vergangenheit wie gewirkt haben.

Die Thematik verlangt von uns, das Verhältnis zwischen EU-Vorgaben und nationalen Regelungen grundlegend und sinnvoll auszutarieren und die auf europäischer Ebene zu verankernden Regelungsinhalte umfassender und genauer zu benennen.

Hierzu zählt auch, eine europaweite Koordinierung über Best-Practise-Erfahrungen vorzunehmen statt Europa nur als eine Harmonisierung „von oben“ zu begreifen: Der auf Grundlage einer ambitionierten Zieltrias für Klimaschutz, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz etablierte Systemwettbewerb, hat sich mehr als bewährt und sollte nicht grundlos aufgegeben werden.

Mit dem EEG und der Vorrangregelung für Erneuerbare Energien-Technologien hat Deutschland bei einigen Erneuerbare Energien-Trägern, insbesondere bei Wind Onshore und der Photovoltaik, aber auch bei der Biogas-Technologie und Wasserkraft entscheidend zur technologischen Weiterentwicklung beigetragen, sodass diese Technologien nun an der Schwelle zum wirtschaftlichen Durchbruch stehen.

Allein hierdurch trägt Deutschland zu einer europäischen und internationalen Energiewende bei.

Um ein effektives Ineinandergreifen zwischen Europäischer Union und nationaler Ebene für die Energiewende zu gewährleisten hat es sich bewährt, auf der europäischen Ebene die gemeinsame Richtung für die Energie- und Klimapolitik vorzugeben, aber die jeweilige Ausgestaltung den Mitgliedsstaaten zu überlassen – sowohl mit Blick auf die sektorale Aufteilung als auch auf die Wahl der Mittel. Dies entspricht auch den Erfordernissen des im Vertrag von Lissabon festgeschriebenen Subsidiaritätsprinzips.

Die Notwendigkeit, das hiermit benannte Verhältnis zwischen EU-Vorgaben und mitgliedstaatlichem Handeln sinnvoll auszutarieren, möchte ich an den folgenden Beispielen darstellen: Am Beispiel des Entwurfs der Beihilfeleitlinien, der u.a. Ausschreibungen für Erneuerbare Energien vorsieht, versucht die Wettbewerbsdirektion über einen Beihilferahmen eine Art EU-Erneuerbare-Förderpolitik zu etablieren. Dies ist weder systemisch noch politisch akzeptabel und kann auch rechtlich mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip kaum zulässig sein.

Und auch am Beispiel des Energie-Binnenmarktes gilt es zu beachten: In einem EU-Energie-Binnenmarkt können mittels einer stärkeren Vernetzung der Energie-/Strommärkte und durch einen stärkeren Austausch mit den Nachbarstaaten die Kosten für den Umbau unseres Stromsystems gesenkt werden. Mit einer größeren Verteilung gerade der fluktuierenden Erneuerbaren Energien wird die Netz- und Systemintegration erleichtert, da es zu Ausgleicheffekten sowohl bei der Prognose als auch bei der Bereitstellung von Ergänzungskraftwerken kommt.

Dieser zutreffende Umstand wird leider häufig fehlgeleitet als Argument für zentrale Versorgungsszenarien angeführt.

Richtigerweise funktionieren die genannten Ausgleichseffekte einer stärkeren Vernetzung aber nur bei einer dezentralen Strom- und Energieversorgung. Der Großteil der Strom- und Energiebereitstellung erfolgt in Regionen, die damit jeweilig die Potentiale für einen gegenseitigen Ausgleich vorhalten können.

Folglich müssen dezentrale Steuerungsmöglichkeiten für den Ausbau Erneuerbarer Energien in den Händen der Mitgliedstaaten liegen.

Weil es bei zeitweiligen Stromüberschüssen zu nicht geplanten Übertragungen in benachbarte Stromsysteme kommt, sog. Ringflüsse über Polen und Tschechien nach Süddeutschland, gibt es von Seiten der EU-Kommission Erwägungen, diesem Umstand mit der Abschaffung der einheitlichen Preiszone Deutschland/Österreich entgegen zu treten. Damit bekämen wir innerhalb Deutschlands unterschiedliche Großhandelspreise.

Eine effektivere Antwort auf die oben beschriebene Problematik und um gleichzeitig einen kosteneffizienten Ausbau der Erneuerbaren Energien und damit auch eine entsprechende Auslegung Erneuerbarer-Energien-Anlagen zu gewährleisten, wäre die Einführung einer sogenannten Generator- oder „G-Komponente“, wie sie auch im Koalitionsvertrag (Seite 42) vorgesehen ist.

Danach würden sich alle zukünftigen Erzeuger – auch die der Erneuerbaren Energien – an den von ihnen mit verursachten Netzausbaukosten beteiligen. Dies vermittelt ein Allokationssignal für die optimale Standortwahl mit den geringsten Gesamtsystemkosten.

Die Wahl solcher Instrumente setzt aber voraus, die Handlungsoptionen und Wahl der besten Mittel für Mitgliedstaaten oder Regionen zu erhalten und nicht einzelne Instrumente EU-weit vorzugeben, die dann mit ersteren konkurrierten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass mit einem zunehmenden Anteil Erneuerbarer Energien die Regeln für die Ausgestaltung von Ausgleichsenergiesystemen oder der Netzentgeltstruktur angeglichen werden müssen. Wenn es nun heute um die „europäische Verankerung der Energiewende geht“, muss auch im Rahmen der Ausgestaltung dieser sogenannten Netzkodizes darauf geachtet werden, dass der Umstieg auf Erneuerbare Energien nicht erschwert bzw. verteuert wird.

Die Energiewende europäisch verankern heißt also auch, ein besseres Augenmerk auf die Aufteilung der Verantwortlichkeiten der verschiedenen Ebenen – zum einen der Europäischen, zum anderen der Mitgliedstaatlichen – zu werfen und den mit der Energiewende veranlassten Systemwandel vorzunehmen.

Vielen Dank

Es gilt das gesprochene Wort 

Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestages

Foto: Deutscher Bundestag