Nina Scheer in der spw: Strompreise sozial abfedern

Mit der Diskussion um die Energiewende eng verknüpft ist die Frage nach ihren Kosten. Zugleich ist unbestreitbar, dass Energie ohne Energiewende zukünftig für immer mehr Menschen nicht bezahlbar sein wird. Die Energiewende enthält deutlich umfassendere Entlastungen als sie kostet, sowohl mit Blick auf den Klimawandel, Importabhängigkeiten von fossilen Energien, für die allein in Deutschland im letzten Jahr 80 Mrd. Euro geleistet wurden, als auch, um Umwelt- und Gesundheitsschäden zu vermeiden: Umstände, die alle mit fossil-atomarer Energiegewinnung zusammenhängen. Wenn Bundesumweltminister Peter Altmaier von einer Billion Euro spricht, die die Energiewende binnen der kommenden dreißig Jahre koste, rechnen andere für den gleichen Zeitraum sieben bis acht Billionen im Fall des Nichtgelingens der Energiewende gegen.

Fehlsteuerungen, für die die schwarz-gelbe Bundesregierung verantwortlich ist, etwa in Form einer ausgeweiteten EEG-Umlagebefreiung für immer mehr Unternehmen, auch solche, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen, führen zu Mehrbelastungen für private Endkunden. Diese Entwicklung gilt es zurückzunehmen.

Die Kostenentwicklung der Energiewende ist grundsätzlich klar definierbar: unter Einbeziehung von Netzmanagementsystemen und Speichern, deren Markteinführung hiermit noch bevorsteht, werden mittelfristig weitere Energiekosten entstehen, die sich auch preislich auswirken. Mit der Markteinführung entsprechender Technologien und der Weiterentwicklung Erneuerbarer-Energien-Technologien ist für die Gewinnung und Nutzung regenerativer Energien längerfristig aber von sinkenden Preisen auszugehen.

Erheblich umfangreichere Preissteigerungen sind hingegen für fortbestehende Abhängigkeiten von fossil-atomaren Energieträgern zu erwarten. Das größte Kostensenkungspotenzial liegt somit in einer schnellst möglichen Ablösung fossil-atomarer durch regenerative Energien, zumal regenerative Energien, insbesondere Wind und Sonne, kostenfrei zur Verfügung stehen.

Die Sozialdemokratie ist aber auch aufgefordert, unmittelbar wirkende Antworten zu finden, wenn Stromrechnungen von immer mehr Menschen nicht mehr bezahlt werden können. Aber selbst solche Antworten dürfen die auch zukünftige Bezahlbarkeit von Energie nicht aus dem Blick verlieren: Maßnahmen zur „Bezahlbarkeit von Energie“, die sich negativ auf Energieeffizienz und -einsparung auswirken oder den Ausbau regenerativer Energien verlangsamen, erfüllen dies nicht.

Wenn heute zunehmend Menschen ihre Stromrechnung bei monatlichen Mehrkosten (im Vergleich zum Vorjahr) in Höhe von fünf Euro nicht mehr bezahlen können, können sie auch Mietzinserhöhungen nicht leisten. Wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht, wird es immer mehr Güter und Leistungen geben, von denen immer mehr Menschen ausgeschlossen werden. Dies wird symptomatisch am Beispiel steigender Energiepreise augenfällig – aber eben auch in anderen Lebensbereichen.

Zunehmende Stromabschaltungen infolge individuell nicht bezahlbarer Rechnungen verlangen nach der Abschaffung von Erwerbs- und Altersarmut. Auch sie beweisen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro unausweichlich ist.

 

Aus der Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
(Ausgabe 196)