
Die Energiewende ist in vollem Gange. Land und Kommunen setzen die ersten Schritte für eine verstärkte Nutzung Erneuerbarer Energien hin zu einer regenerativen Vollversorgung um. Gemeinde- und Stadtwerke mit einem hohen Anteil einer Gas- und Fernwärmeversorgung stehen im Zuge der Energiewende vor großen Herausforderungen. Sie müssen eine Strategie für die sukzessive Einbeziehung Erneuerbarer Energien entwickeln und sich in eine landespolitische Strategie der regenerativen Vollversorgung unter Berücksichtigung bundes- und europapolitischer Rahmenbedingungen einfügen.
Welche Möglichkeiten haben die Gemeinde- und Stadtwerke, verstärkt Erneuerbare Energien zu nutzen und in ihren Ausbau zu investieren? Dieser Frage widmete sich die SPD-Ratsfraktion mit ExpertInnen auf der Fachveranstaltung „Energiewende vor Ort: Herausforderungen und Chancen für Gemeinde- und Stadtwerke auf dem Weg zur regenerativen Vollversorgung“ am 18.04.2013. An der Veranstaltung nahmen ca. 50 Gäste aus Industrie und Gewerbe sowie VertreterInnen von Stadtwerken, Parteien und Gewerkschaften teil.
Mit einleitenden Inputs diskutierten neben Wolfgang Schulz, Mitglied im Fraktionsvorstand der SPD-Ratsfraktion und im Aufsichtsrat der Stadtwerke Kiel:
- Dr. Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin sowie Leiterin des Bereichs Klimaschutz und Energiewende der Deutschen Umwelthilfe
- Frank Günther, Geschäftsführer Versorgungsbetriebe Bordesholm
- Dr. Martin Grundmann, Geschäftsführer ARGE Netz
- Olaf Schulze, Energiepolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion
Die Moderation und Einführung in das Thema übernahm Dr. Nina Scheer, SPD Umweltforum Schleswig-Holstein. Scheer betonte, dass besonders die Kommunen zum Gelingen der Energiewende beitragen können, sowohl den Netzbetrieb als auch die Energiegewinnung betreffend. Zudem lägen große Potenziale in öffentlichen Gebäuden, die unmittelbar in Energiegewinnungs- und Einsparkonzepte einbezogen werden könnten. Die Energiewende sei insgesamt nicht mehr umkehrbar. Je nach Ausgestaltung seien allerdings steigende Energiepreise zu erwarten, jedenfalls dann, wenn die Ablösung fossiler Ressourcen verzögert würde oder eine ungleiche Lastenverteilung erfolge. Für ein Gelingen sei eine dezentrale Struktur der Energiepolitik nötig, bei der den Kommunen und Stadtwerken eine Schlüsselfunktion zukomme.
Frank Günther, Geschäftsführer der Versorgungsbetriebe Bordesholm, hob die Wichtigkeit des Netzausbaus hervor. Energieversorgung könne nur auf Erneuerbaren Energien beruhen, wenn ein intelligentes Netz – über Glasfaserkabel – eingerichtet werde. Dem Netzausbau werde zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Außerdem werde, gerade von kommunaler Seite, der Steigerung der Energieeffizienz eine zu geringe Rolle eingeräumt.
Dr. Martin Grundmann, Geschäftsführer der ARGE Netz, betonte, dass die Kommunikation zwischen kommunalen Versorgern und privaten Erzeugern Erneuerbarer Energien verbesserungswürdig sei. Für die Zukunft kommunaler Versorger sehe er die Beteiligung von BürgerInnen an Stadtwerken als eine wichtige Option.
Olaf Schulze, energiepolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein, wies auf die landespolitischen Ausbauziele hin, wonach Schleswig-Holstein bis 2020 300 % der selbst verbrauchten Energiemenge aus erneuerbaren Energien gewinnen wolle. Als nächste Schritte seien der weitere Netzausbau und die Erforschung von Speichertechnologien anvisiert. Die Energiewende gelinge nur, wenn auch die Wärmeerzeugung beachtet und Mobilität neu organisiert werde. Stadt- und Gemeindewerke seien unverzichtbar, sodass auch die Wertschöpfung vor Ort bleibe.
Wolfgang Schulz, Mitglied im Fraktionsvorstand der SPD-Ratsfraktion und im Aufsichtsrat der Stadtwerke Kiel, stellte die besonderen Herausforderungen dar, denen die Landeshauptstadt Kiel gegenüberstehe. Eine anstehende wichtige Entscheidung sei, in welcher Form das Kohlekraftwerk ersetzt werde. Hier werde schnell ein Beschluss fallen. Als besonders bedeutsam für die Zukunft der Energieversorgung benannte Wolfgang Schulz die regionale Kooperation zwischen Kiels und dem Umland.
Dr. Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin sowie Leiterin des Bereichs Klimaschutz und Energiewende der Deutschen Umwelthilfe, verdeutlichte, dass das Gelingen der Energiewende in Deutschland als weltweites Vorbild wahrgenommen werde. Die Energiewende könne nur gelingen, wenn Bürgerbeteiligung in den Verfahren und der Finanzierung garantiert werde. In diesem Zusammenhang ging Ziehm auf die derzeitige Entwicklung in Berlin ein. Hier setze sie sich in ihrer Funktion als Aufsichtsrat der Genossenschaft BürgerEnergie Berlin für ein Stromnetz in Bürgerhand ein. Energiepolitik müsse transparent dargestellt werden. Mit fehlender Transparenz, etwa bei den Energiekosten und der Ausgestaltung der EEG-Umlage werde das nach wie vor positive Image der Energiewende beschädigt.
Auch die anschließende Diskussion vermittelte, dass die Energiewende große Unterstützung genießt, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Hierbei wird besonders eine bessere Beteiligungskultur gewünscht, z.B. über genossenschaftliche Organisation von Stadt- und Gemeindewerken.